Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Verleihers gegen die Sozialkassen im Baugewerbe wegen gezahlter Urlaubsvergütung
Leitsatz (amtlich)
Obgleich § 8 III AEntG nach seinem Wortlaut nur Beitragsansprüche der ULAG begründet und dem Lohnarbeitnehmer die tarifvertraglichen Ansprüche zustehen, steht auch dem Verleiher ein Erstattungsanspruch gegen die Kasse wegen gezahlter Urlaubsvergütung i. S. v. § 12 VTV zu.
Normenkette
AEntG § 8 Abs. 3; VTV Bau § 12
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 25.01.2019; Aktenzeichen 8 Ca 191/18 SK) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2019 – 8 Ca 191/18 SK – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.618,74 EUR (in Worten: Eintausendsechshundertachtzehn und 74/100 Euro) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 66% und die Beklagte 34 % zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 14 % und die Beklagte zu 86 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege von Klage und Widerklage um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes und um Erstattungsansprüche der Beklagten.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.
Die Beklagte ist eine Personaldienstleisterin, die über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt, und die mit ihren Kunden Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf Grundlage das Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes abschließt.
In den Kalendermonaten Januar 2015 bis Juni 2015 überließ sie ihren gewerblichen Arbeitnehmer A dem Entleiher B, bei welchem der Leiharbeitnehmer Tiefbauarbeiten ausführte. Die B unterhält keinen Baubetrieb.
Auf Grundlage von § 8 Abs. 3 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) erstrebt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen i.H.v. zuletzt unstreitigen 1.618,74 EUR. Ursprünglich hatte der Kläger mit Mahnbescheid vom 10. April 2018 noch die Zahlung von Beiträgen i.H.v. 5.448,- EUR auf Basis monatlicher Mindestbeiträge begehrt, die Klage jedoch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise entsprechend zurückgenommen.
Während der Dauer der Entsendung des Arbeitnehmers A zahlte die Beklagte an ihn Urlaubsentgelt i.H.v. 441,38 EUR und, da sein Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2015 endete, Urlaubsabgeltung i.H.v. 706,20 EUR.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünde gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für den von ihr gewerbsmäßig überlassenen Arbeitnehmer A zu, ohne dass die Beklagte ihrerseits von ihm Erstattungen hinsichtlich des an den Leiharbeitnehmer ausgezahlten Urlaubsentgelts und der gezahlten Urlaubsabgeltung auf Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) verlangen könne.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.618,74 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, eine Zahlungsverpflichtung bestünde nicht. Die Forderung sei aufgrund der Auszahlung des Urlaubsentgelts bzw. der Urlaubsabgeltung erloschen, zumindest sei sie aufgrund einer von ihr erklärten Aufrechnung mit diesen Beträgen untergegangen.
Sie hat weiterhin gemeint, jedenfalls stünde ihr ein Erstattungsanspruch gemäß § 12 VTV zu. Der Kläger sei verpflichtet, an sie die an den Arbeitnehmer direkt ausgezahlten Beträge zu erstatten, so wie es auch bei Betrieben des Baugewerbes in diesen Fällen vorgesehen sei. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 AEntG sei so zu verstehen, dass der Verleiher mit den mit baulichen Arbeiten überlassenen Arbeitnehmern vollumfänglich am Urlaubskassenverfahren teilnähme. Der Kläger könne nicht Beitragszahlung verlangen, den Gegenanspruch jedoch negieren. Mit der Verpflichtung zur Beitragszahlung sei auch die Notwendigkeit der Erbringung einer Gegenleistung verbunden. Auch stellte es sich als treuwidrig dar, Beiträge zu verlangen, ohne eine Erstattung vorzunehmen.
Die Beklagte hat widerklagend beantragt, festzustellen, dass ihr gegen den Kläger ein Anspruch entsprechend den Vorschriften des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung auf Erstattung von an den Arbeitnehmer A gezahltem Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung nach Ausgleich des Beitragskontos und nach ordnungsgemäßer Meldung zusteht.
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt und die Auffassung vertreten, die Auslegung von § 8 Abs. 3 AEntG ergäbe, dass die Norm lediglich eine Verpflichtung zur Gewährung der gleichen Arbeitsbed...