Entscheidungsstichwort (Thema)
Statische Verweisung auf bestehenden Tarifvertrag. Tarifvertrag bei Vertragsabschluss. Bezugnahmeklausel nach Wegfall der Tarifbindung. Auslegung als Gleichstellungsabreden. Unklarheitenregel bei Altverträgen und Neuverträgen
Leitsatz (redaktionell)
Sind Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag statisch, sind Tarifänderungen nach Ende der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht umzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 611, 305c; TVG § 1; BGB §§ 133, 151, 157
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 23.05.2013; Aktenzeichen 8 Ca 319/12) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 23. Mai 2013 - 8 Ca 319/12 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Tariflohnerhöhungen gemäß den Tarifabschlüssen der jeweiligen Gehaltstarifverträge des Hessischen Einzelhandels für die Jahre 2009 bis 2011 in Höhe von insgesamt 899,80 Euro brutto und eine Einmalzahlung in Höhe von 120,- Euro an die Klägerin weitergeben muss.
Die Klägerin ist seit 01. Januar 1990 als Buchhändlerin für ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 1.898,00 in A beschäftigt. Die Beklagte ist eine Buchhandelsgesellschaft. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die B, wurde aufgrund des Verschmelzungsvertrages und der entsprechenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 16. März 2004 auf die C verschmolzen; letztere wurde wiederum im Jahre 2010 auf die Beklagte verschmolzen. Die B war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Mitglied im Hessischen Einzelhandelsverband; mit Schreiben vom 21. Februar 2005 erklärte C den Austritt aus der Tarifbindung und wechselte in eine OT-Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 02. Mai 2005 kündigte C die Mitgliedschaftsvereinbarung zum 31. Dezember 2006 vollständig. Die Beklagte ist nicht Mitglied irgendeines tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbandes in Hessen.
Der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der B vom 30. Januar 1999 hat unter anderem folgenden Wortlaut:
"§ 1 Probezeit und Anstellung
Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.12.1990 als Buchhändlerin Tarifgruppe II eingestellt.
...
§ 3 Gehaltszahlung
Tarifgehalt |
DM 1.385,-- bei 25 Wochenstunden |
Etwaige übertarifliche Zulage |
DM |
Insgesamt: |
DM 1.385,-- |
Übertarifliche Bezüge sind bei Tariferhöhungen, bei Aufrücken in ein anderes Berufs- oder Tätigkeitsjahr oder bei Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe anrechenbar.
...
§ 7 Urlaub
Der Urlaub richtet sich nach den tarifvertraglichen Bestimmungen. Er beträgt demnach zur Zeit 34 Arbeitstage im Jahr.
...
§ 14 Tarifverträge
Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, findet der Mantel- und Gehaltstarifvertrag Hess. Einzelhandel in der zuletzt gültigen Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung.
..."
Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichte Kopie des Arbeitsvertrages verwiesen (Blatt 6-9 d. A.). In der Folgezeit wurde ein weiterer Nachtrag zum Arbeitsvertrag mit Datum vom 30. November 2011 geschlossen (Blatt 35, 36 d. A.), der an keiner Stelle auf irgendeinen Tarifvertrag Bezug nehmen und am Ende den Satz enthalten: "Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort".
Mit Schreiben vom 12. September 2006, 31. März 2008, 05. Mai 2008, 30. Juni 2008, 11. August 2008, 28. November 2008 und 31. Januar 2009 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin auch schon mitgeteilt, dass sich ihr Gehalt erhöht habe und neu berechnet würde (Blatt 54-56 und 77-80 d. A.). Die Schreiben vom 12. September 2006, 31. März 2008, 5. Mai 2008 und 30. Juni 2008 nehmen ebenfalls nicht Bezug auf irgendeinen Tarifvertrag. In den übrigen Schreiben finden sich dagegen Bezugnahmen auf die "Tarifgruppe II E". In meisten Schreiben geht es auch um die Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeiten.
Die jeweiligen Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel in Hessen sehen in der Gehaltsstufe II nach dem 5. Tätigkeitsjahr seit dem 01. August 2009 2.336,-- Euro brutto, seit dem 01. August 2010 2.372,-- Euro brutto und seit dem 01. Juni 2011 2.443,-- Euro brutto bei einer Vollzeittätigkeit vor.
Mit Schreiben vom 01. Februar 2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter anderem die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhung seit August 2009 und die tarifliche Einmalzahlung vom März 2010 in Höhe von 120,-- Euro brutto geltend (Blatt 3 bis 5 d. A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die tariflichen Lohnerhöhungen an sie weiterzugeben. § 14 des Arbeitsvertrages könne nur dahingehend verstanden werden, dass eine Verweisung auf den jeweils gültigen Tarifvertrag gemeint sei. Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten tarifliche Lohnerhöhungen an sie weitergegeben.
Die Klägerin hat nach teilweiser Klagerücknahme im ersten Rechtszug beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ...