Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG
Leitsatz (amtlich)
1. Das SokaSiG ist wirksam und nicht dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen.
2. Zur Vertrauensbildung, wenn sich die Partei in dem Beitragsverfahren von Anfang an gegen die AVE zur Wehr gesetzt hat.
Normenkette
SokaSiG § 7; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.01.2017; Aktenzeichen 11 Ca 1840/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Januar 2017 - 11 Ca 1840/16 - abgeändert.
Das Versäumnisurteil vom 07. Dezember 2016 wird aufgehoben. Der Vollstreckungsbescheid vom 04. November 2014 wird aufrechterhalten. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.440,10 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Klägers im Termin am 07. Dezember 2016 entstanden sind, die der Kläger zu tragen hat.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, begehrt er von der Beklagten Zahlung von Beiträgen nach Verbindung von ursprünglich vier getrennten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung in Höhe von 11.328,34 Euro. Dabei handelt es sich um gemeldete Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Januar bis Dezember 2014.
Die Beklagte, die nicht Mitglied eines der den VTV abschließenden Tarifpartner ist, ist im Bereich der Horizontalbohrungen tätig. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. September 2015 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten, es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass überwiegend bauliche Leistungen erbracht worden seien und auch die Höhe der eingeklagten Beträge sei unstreitig (Bl. 360 der Akte). Der Geschäftsführer der Beklagten A ist zugleich Geschäftsführer der Firma B. Die letztgenannte Firma ist auf den Fassadenschutz und die Gebäudereinigung spezialisiert; u.a. wurden Arbeiten in der Fassadenreinigung, Farbentfernung, der Herstellung von wasser- und schmutzabweisenden Oberflächen und der Kabeltechnik erbracht. Die Beklagte wird auch im Auftrag der B tätig.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zur Beitragszahlung verpflichtet sei. Die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb. Für die Frage des Unterfallens unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV könne es nur auf solche Arbeiten ankommen, die die Arbeitnehmer der Beklagten für die Beklagte selbst erbracht hätten. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Wirksamkeit der AVE, die eine Aussetzung des Verfahrens nach § 98 Abs. 6 ArbGG rechtfertigten.
In der ursprünglich getrennten Rechtsstreitigkeit 11 Ca 1843/14 hat der Kläger am 4. November 2014 einen Vollstreckungsbescheid über 2.888,24 Euro erwirkt. Dieser Vollstreckungsbescheid ist der Beklagten am 8. November 2014 zugestellt worden, der Einspruch ist am 17. November 2014, einem Montag, eingegangen.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15,AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.
In dem Termin vom 7. Dezember 2016 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Auf Antrag der Beklagten ist ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem der Vollstreckungsbescheid vom 4. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen worden ist. Dieses Versäumnisurteil ist dem Kläger am 19. Dezember 2016 zugestellt worden. Am gleichen Tag hat der Kläger beim Arbeitsgericht Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.328,34 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufrechtzuerhalten.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Sie hat gemeint, dass die AVE 2014 des VTV unwirksam sei. Wegen des Vortrags im Einzelnen wird insbesondere Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 8. Mai 2015 nebst Anlagen, Bl. 79 - 144 der Akte. Die Bek...