Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit von Einwendungen gegenüber der Zwangsvollstreckung von titulierten Beitragsansprüchen der Sozialkasse im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Will der Bauarbeitgeber im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage bei einer Auskunftsklage der Vollstreckung einer titulierten Entschädigungssumme entgegenhalten, dass die Auskünfte rechtzeitig erteilt worden sind, muss er auch den Inhalt der Auskünfte darlegen.

2. Kammer lässt offen, ob der Bauarbeitgeber berechtigt ist, nach § 767 ZPO gegenüber titulierten Beitragsansprüchen der Sozialkasse im Baugewerbe geltend zu machen, die zugrunde liegende Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau sei unwirksam. Denn die Zwangsvollstreckung ist jedenfalls deshalb nicht unzulässig geworden, weil infolge der - zulässigen - Rückwirkung des SokaSiG der Titel nicht materiell-rechtlich unrichtig geworden ist.

 

Normenkette

ZPO § 767; SokaSi § 130; BGB § 362 Abs. 1, § 371; ArbGG § 61 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 17.08.2017; Aktenzeichen 10 Ca 73/17)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.08.2011; Aktenzeichen 4 Ca 2592/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.01.2019; Aktenzeichen 10 AZR 155/18)

BAG (Beschluss vom 05.06.2018; Aktenzeichen 10 AZR 155/18 (A))

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. August 2017 - 10 Ca 73/17 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege einer Vollstreckungsgegenklage um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden, in dem die Arbeitgeberin zur Erteilung von tariflichen Auskünften und bei nicht rechtzeitiger Erteilung zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt worden ist.

Die Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat sie die für das Solidarverfahren erforderlichen Beiträge bei den Bauarbeitgebern eingezogen. Nach näherer tariflicher Maßgabe war sie - jedenfalls für vor dem 1. Januar 2010 entstandene und von der ZVK geltend gemachte Ansprüche - die für den Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zuständige Stelle.

In einem Vorprozess mit umgekehrtem Rubrum hat die Sozialkasse die hiesige Klägerin unter anderem auf die Erteilung der tarifvertraglich vorgesehenen Auskünfte für den Zeitraum April 2009 bis September 2009 in Bezug auf gewerbliche Arbeitnehmer und auf Angestellte in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 11. August 2011 - 4 Ca 2592/09 - hat das Arbeitsgericht Wiesbaden der Klage stattgegeben und die Beklagte für den Fall, dass sie Ihrer Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nachkommt, verurteilt, an die Sozialkasse eine Entschädigung in Höhe von 15.360 Euro zu zahlen. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Urteils wird Bezug genommen auf Bl. 40 - 52 der Akte. Das Urteil wurde der Klägerin am 29. August 2011 zugestellt.

Die ZVK bzw. die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse betreiben die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Entschädigungssumme. Am 14. Oktober 2013 versuchte der Obergerichtsvollzieher A, die titulierte Forderung zu vollstrecken.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die titulierten Auskünfte durch das Steuerberatungsbüro der Klägerin erteilt wurden. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 teilte der Beklagte gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter anderem Folgendes mit:

"Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. Dezember 2016 und die ergänzten Lohnunterlagen bezüglich der Unterscheidung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten.

Nach umfassender Prüfung und Berechnung der Summen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Ihnen eingereichten Summen sogar höher sind, als die von uns zugesprochenen Entschädigungssummen.

Anbei haben wir eine Aufstellung über die von Ihnen übermittelten Lohnsummen beigefügt.

Deshalb sind wir weiterhin berechtigt, eine Gesamtforderung aus dem Urteil von insgesamt 13.992,76 Euro zzgl. der bereits angefallenen Vollstreckungskosten von Ihren Mandanten zu fordern.

Die Restforderung gliedert sich wie folgt auf:

Gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Rest April 2009, Mai 2009 - September 2009 12.631,55 Euro..."

Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Schreibens wird verwiesen auf Bl. 117 f. der Akte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Zwangsvollstreckung in Bezug auf die Entschädigungssumme unzulässig sei. Sie habe die geforderten Auskünfte nicht erteilen können, da die Beklagte ihr nicht die erforderlichen Formulare übergeben habe. Aus dem Schreiben vom 3. Juli 2013 ergebe sich, dass der Beklagten die Tatsachen, über welche sich die Auskunftsverpflichtung verhält, bereits bekannt seien. Denn ausweislich dieses Schreibens habe die Beklagte Verzugszinsen berechnet. Des Weiteren hat sie behauptet, dass...

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