Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines isolierten Arbeiten an Schiffen ausführenden Unternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer umfangreichen Beweisaufnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Isolierarbeiten an Schiffen werden nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 bzw. Abs. 2 Abschn. II VTV, wohl aber nach § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst.
2. Es ist nach § 286 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich, dass sich das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen mit jeder einzelnen Aussage der vernommenen Zeugen (hier insgesamt mehr als 50) auseinandersetzt. Es ist vielmehr ausreichend, dass erkennbar wird, dass das Arbeitsgericht eine zusammenfassende Beweiswürdigung vorgenommen hat, bei der die Aussagen der Zeugen insgesamt mit eingeflossen sind.
Normenkette
SokaSiG § 7; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 213
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 15.12.2017; Aktenzeichen 8 Ca 84/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. Dezember 2017 - 8 Ca 84/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat er die Beklagte nach Verbindung von fünf Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von zuletzt 558.900,77 Euro in Anspruch genommen. Es handelt sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für Dezember 2005 bis Dezember 2010 sowie für Angestellte in dem Zeitraum August 2007 bis Dezember 2009.
Für den Zeitraum Dezember 2006 bis April 2010 - ursprünglich getrenntes Verfahren 8 Ca 639/11 - hat sich der Kläger auf die von der Bundesagentur für Arbeit festgestellten Jahresbruttolohnsummen gestützt und in der Summe einen Beitrag in Höhe von 446.914,16 Euro geltend gemacht. Im Übrigen hat sich der Kläger auf die im Baugewerbe statistisch angefallenen Durchschnittslöhne gestützt. Für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2006 ist er von einer Beschäftigung von mindestens sechs gewerblichen Arbeitnehmern pro Monat ausgegangen, für den Zeitraum von Mai 2010 bis Dezember 2010 ist er von einer Beschäftigung von jeweils 26 gewerblichen Arbeitnehmer pro Monat ausgegangen. Daneben hat der Kläger für den Zeitraum August 2007 bis Dezember 2009 Festbeiträge für einen Angestellten in Höhe von 1.635 Euro geltend gemacht. Nachdem der Kläger Kenntnis von an die Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Bruttolohnsummen für den Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2010 erlangt hatte, hat er die Klageforderung teilweise angepasst. In Bezug auf die genaue Zusammensetzung der Klagforderung wird auf die mit Schriftsatz vom 23. November 2017 vorgelegte Auflistung (Bl. 743 - 744 der Akte) verwiesen.
Die Agentur für Arbeit A ist nach einer Betriebsprüfung am 30. September 2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass im Betrieb der Beklagten Isolierarbeiten an Rohrleitungen, Luftkanälen, Abgasleitungen, Schallschutz- und Feuerschutzisolierungen, Dachisolierungen und Verblechungen erbracht wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten des Prüfberichts wird Bezug genommen auf Bl. 834 - 844 der Akte. Hinsichtlich der festgestellten Bruttoarbeitsentgelte wird verwiesen auf die Aufstellung der Bundesagentur für Arbeit vom 1. November 2010 (Bl. 11 der Beiakte 8 Ca 639/11).
Die Beklagte ist auf Tätigkeiten an Schiffen spezialisiert. Die beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer haben im streitgegenständlichen Zeitraum in der AA an Schiffen u.a. Isolierungsarbeiten vorgenommen und Bleche zum Schutz der Isolierungen montiert. Über die weiteren Einzelheiten der im Betrieb erbrachten Tätigkeiten herrscht zwischen den Parteien Streit.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15,AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.
Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das ...