Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauträger. Bürgenhaftung
Leitsatz (amtlich)
Ein Bauträger, der selbst keine Bauleistungen erbringt, ist kein Unternehmer im Sinne von § 1 a Satz 1 AEntG a. F.
Normenkette
AEntG § 1a
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.03.2010; Aktenzeichen 2 Ca 3857/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 09. März 2010 – 2 Ca 3857/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten als Bürgen gemäß dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen in Anspruch.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatlich Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen. Den Beitragseinzug regelte im Anspruchszeitraum der Allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in seiner jeweiligen Fassung.
Der Beklagte ist ein Bauträger, der keine eigenen Bauarbeitnehmer beschäftigt. Seine Tätigkeit erstreckt sich auf die Erstellung von Wohnhäusern und Geschäftsgebäuden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, die er in der Folgezeit veräußert.
Mit als „Subunternehmer Rohbau” überschriebenen Bauverträgen vom 01./04. Juni 2004 sowie vom 08./09. Dezember 2004 beauftragte der Beklagte die Firma A. (im Folgenden: Firma B.) mit der Erbringung von Rohbauarbeiten auf Baustellen in C. und D. Die Firma B. beauftragte ihrerseits das polnische Bauunternehmen E. (im Folgenden: Firma F.) mit den Rohbauarbeiten auf diesen Baustellen.
Im Betrieb der Firma F. wurden in den streitgegenständlichen Kalenderjahren in Deutschland, aber auch unter Einschluss der nicht in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Rohbauarbeiten verrichtet. Die Firma F. beschäftigte auf den Baustellen der Beklagten in Deutschland zwischen Dezember 2004 und Januar 2006 aus G. entsandte gewerbliche Arbeitnehmer. Die Firma F. nahm am Urlaubskassenverfahren teil, zahlte jedoch einen restlichen Betrag in Höhe von 3.595,31 Euro nicht an den Kläger.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte gemäß § 1 a Satz 1 AEntG a. F. wie ein Bürge für die Verpflichtung der Firma F. zur Zahlung der Beiträge hafte, da er der Auftraggeber innerhalb einer Subunternehmerkette sei. Als Bauträger sei der Beklagte ein Unternehmer im Sinne von § 1 a AEntG a. F., wie vom Hessischen Landesarbeitsgericht im Urteil vom 29. Oktober 2007 – 16 Sa 2012/06 – angenommen worden sei. Hätte der Beklagte die werkvertraglichen Leistungen mit eigenen Arbeitnehmern erbracht, wäre er als Bauunternehmer beitragspflichtig. Gleiches müsse gelten, wenn der Beklagte seine Pflichten delegiere. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte vergebe in der Regel erst nach Abschluss von Kaufverträgen mit Interessenten die Bauleistungen an die Subunternehmer.
Der Kläger hat mit dem Beklagten am 29. Dezember 2008 zugestellter Klageschrift beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.595,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, als Bauherr treffe ihn keine Pflicht aus § 1 a AEntG. Er hat behauptet, in der Regel erst nach Rohbaubeginn und vor Beginn der Ausbauphase Verkaufsgespräche mit Interessenten zu führen.
Das Arbeitsgericht D. hat mit Urteil vom 09. März 2010 – 2 Ca 3857/08 – die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, der Beklagte hafte nicht als Bürge gemäß § 1 a Satz 1 AEntG a. F., da der Beklagte kein Unternehmer im Sinn dieser Vorschrift sei. Der im Gesetz verwandte Begriff des Unternehmers sei auszulegen, wobei der objektive Wille des Gesetzgebers zur ermitteln sei. Zwar sei gemäß § 14 Abs. 1 BGB jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handele, ein Unternehmer. Der Begriff des Unternehmers in § 1 a AEntG a. F. sei jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschränkend auszulegen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass der Generalunternehmer darauf achten solle, dass seine Subunternehmer die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zwingenden Arbeitsbedingungen einhielten. Die Durchgriffshaftung treffe den Generalunternehmer, der erkennen könnte, dass die von den Nachunternehmern angebotenen Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen nicht zu erbringen seien. Daraus folge, dass ...