Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche und wirksame ordentliche Kündigung wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.
3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.10.2010; Aktenzeichen 14 Ca 1915/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2010, 14 Ca 1915/10, teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15. März 2010 beendet wurde.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die hilfsweise Kündigung der Beklagten vom 19. März 2010 beendet wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5/7 und die Beklagte zu 2/7.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen, einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung und um Weiterbeschäftigung.
Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 341 bis 347 d.A.).
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Offenbach am Main unter HRB ...) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb ZD auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Offenbach am Main unter HRB ...). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 24. Juli 2011 aufgenommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 27. Oktober 2010 verkündetes Urteil, 14 Ca 1915/10, mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrags stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar bestehe der dringende Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung durch erhebliche Nutzung des zur Verfügung gestellten Diensthandy für private Zwecke. Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei jedoch eine Abmahnung erforderlich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 347 bis 360 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 08. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die frühere Beklagte am 28. Dezember 2010 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 01. Februar 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsfrist bis 08. März 2011 am 08. März 2011 begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Entgegen der von der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung habe die Rechtsvorgängerin aus den monatlichen Telefonabrechnungen auch nicht einfach entnehmen können, in welchem Ausmaß der Kläger SMS verschickt bzw. das Firmenhandy anderweitig privat genutzt habe. Dass diese über einen längeren Zeitraum keine Überprüfungen der Handyabrechnungen vorgenommen habe, führe ebenfalls nicht zum Abmahnungserfordernis, zumal keine normierte Verpflichtung bestehe, die dienstlichen Telefonrechnungen ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen, es zu ihren personalpolitischen Grundsätzen gehöre, ihre Arbeitnehmer nicht ständig zu kontrollieren, und es ihr wie bereits erstinstanzlich dargelegt von April 2008 bis Ende 2009 wegen Umzugs des Betriebs ZD in einen Neubau und damit einhergehender Schwierigkeiten, eines Streiks im August 2008, erheblicher Fluktuation im Bereich...