Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung einer Schwerbehinderten, Rechtswirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Es geht zum einen um die fristlose Kündigung einer angestellten Diplom-Volkswirtin, welche wegen einer ihres Erachtens unzumutbaren innerbetrieblichen Umsetzung nicht mehr zur Arbeit erschienen ist, jedoch wenige Stunden vor Zugang des Kündigungsschreibens mit Erfolg ihre Anerkennung als Schwerbehinderte beantragt hat.
Zum anderen geht es um die formelle und materielle Berechtigung der förmlichen Versetzungsmaßnahme unter den Aspekten der ausreichenden vorherigen Unterrichtung des Betriebsrats i. S. des §§ 99 Abs. 1 BetrVG trotz dessen ausdrücklicher Zustimmung sowie der individualrechtlichen Billigkeit i. S. der §§ 315 ff BGB.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; SchwbG § 12 ff.; BetrVG § 99 Abs. 1; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.09.1986; Aktenzeichen 10 Ca 79/86) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil desArbeitsgerichts Frankfurt/Main vom18.9.1986 – Az: 10 Ca 79/86 – teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
1) Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.4.1986 nicht beendet worden ist.
2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 1/4 der Klägerin und zu 3/4 der Beklagten auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 21.720,– DM festgesetzt.
Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochene fristlosen Kündigung sowie um die Frage, ob die Klägerin verpflichtet war, einer am 19.3.1986 verfügten Versetzungsmaßnahme der Beklagten Folge zu leisten.
Die letzt 39 Jahre alte Klägerin ist von Beruf Diplom-Volkswirtin und seit dem 1.5.1979 bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildet ein am 18.12.1978 abgeschlossener Anstellungsvertrag, auf dessen näheren Inhalt (Bl. 28 – 31 d.A.) verwiesen wird; das monatliche Gehalt der Klägerin belief sich zuletzt auf 5.430,– DM brutto, was – einschließlich diverser Gratifikationen – einem Jahresgehalt von rd. 81.000,– DM entsprach. Die Klägerin war – ausweislich des vorerwähnten Anstellungsvertrages – „für das Generalsekretariat angestellt” und seit Beginn ihrer Tätigkeit ausschließlich mit der Betreuung der persönlichen Mandate des damaligen Vorstandssprechers der Beklagten, Dr. F., betraut; wegen der Anzahl und Art. jener persönlichen Mandate wird auf die wechselseitig überreichten Mandatsübersichten (Bl. 32 – 34, 187, 336 – 338 d.A.) verwiesen.
Als Herr Dr. F. mit Wirkung zum 27.3.1985 aus seiner Funktion als Vorstandssprecher der Beklagten ausschied (Bl. 38 d.A.), war die Klägerin noch bis Sept. 1985 mit der Abwicklung seiner persönlichen Mandate, die seitens der Beklagten fortan nicht mehr unterstützt wurden, befasst; alle übrigen, im Interesse der Beklagten gehaltenen Mandate wurden hingegen von seinem Nachfolger, Herrn Dr. R., oder anderen Vorstandsmitgliedern der Beklagten übernommen. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, geriet der bisherige, in der Umgebung des früheren Vorstandssprechers angesiedelte Arbeitsplatz der Klägerin hierdurch etwa ab Okt. 1985 in Wegfall.
Es kam daraufhin zu längeren Verhandlungen der Parteien über das zukünftige Einsatzgebiet der Klägerin, in deren Verlauf die Klägerin zunächst ab Okt. 1985 in die – gleichfalls zum Generalsekretariat der Beklagten gehörende – volkswirtschaftliche Abteilung/Marktforschung umgesetzt wurde. Auf wiederholt vorgebrachte Hinweise der Klägerin, daß jene neue Tätigkeit weder ihren Kenntnissen bzw. Fähigkeiten noch ihren Neigungen entspreche kam es am 25.10.1985 zu einem weiteren Gespräch mit dem Leiter des Generalsekretariats, Herrn Dr. S., sowie dem Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung, Herrn Dr. M., welches jedoch zu keiner endgültigen Einigung führte. Im Anschluß daran wurde die Klägerin, die in der Zeit vom 4.11. bis 16.12.1985 arbeitsunfähig erkrankt war, durch ein Schreiben der Beklagten vom 13.12.1985 (Bl. 60 d.A.) mit Wirkung ab 17.12.1985 für die Dauer von drei Monaten in den Bereich Volkswirtschaft/Branchenanalyse des Generalsekretariats abgeordnet. An diesem neuen Arbeitsplatz war die Klägerin nur wenige Wochen tätig, da sie ab dem 6.2.1986 bis zum 24.3.1986 erneut krankgeschrieben wurde.
Unter dem 6.4.1986 erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht Frankfurt a.M. eine Klage auf Feststellung, daß sie nicht verpflichtet sei, die ihr im Bereich volkswirtschaftliche Abteilung/Branchenanalyse der Beklagten übertragenen Aufgaben wahrzunehmen; diese Feststellungsklage wurde der Beklagten am 19.3.1986 zugestellt. Mit einem weiteren Schreiben der Beklagten vom 19.3.1986 (Bl. 106 d.A.) wurde die Klägerin sodann auf Dauer in den Bereich volkswirtschaftliche Abteilung/Branchenanalyse versetzt; in dem Schreiben selbst war allerdings insoweit vom Bereich „Marktfors...