Normenkette
TVG Auslegung § 1; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.06.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1284/95) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 1995 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Jahressondervergütung für 1994 nach § 35 des allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereinigerhandwerk vom 06.05.1992.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 153,78 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29.06.1995 (Bl. 20 f. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Wegen der Begründung wird auf die schriftlichen Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 21 ff. d. A.) Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte unter Vertiefung ihres Vorbringens ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Zur näheren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin für 1994 die tarifliche Jahressondervergütung in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe zugesprochen. Auch die vom Arbeitsgericht in seinem Urteil gegebene Begründung trifft zu. Das Berufungsgericht schließt sich dieser ausführlichen und überzeugenden Begründung an und verweist auf sie, um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden.
Die Angriffe der Berufung gegen das angefochtene Urteil dringen nicht durch. § 35 Nummer 6 des Tarifvertrages, nach welcher Vorschrift die Jahressondervergütung zusammen mit dem Lohn für den Monat November auszuzahlen ist, enthält keine Anspruchsvoraussetzung, sondern regelt lediglich die Fälligkeit der Forderung, wie sich aus den vom Arbeitsgericht dargelegten Gründen ergibt.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte ferner auf das im Termin überreichte Urteil des Bundesarbeitsgerichts in DB 1995, Seite 272 = AP Nummer 173 zu § 611 BGB Gratifikation. In jenem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung bekräftigt, daß bei Jahressonderleistungen mit reinem Entgeltcharakter kein anteiliger Anspruch für solche Zeiten entsteht, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Erziehungsurlaubs ruht. Hieraus kann die Beklagte für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Denn die hier in Frage stehende tarifliche Sondervergütung nach § 35 hat gerade keinen reinen Entgeltcharakter, sondern – wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat – einen Mischcharakter: Einerseits soll die im Bezugszeitraum für den Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden, andererseits soll – wegen der vorgeschriebenen Erfüllung einer Wartezeit – in der Vergangenheit geleistete Betriebstreue belohnt werden.
Als unterliegende Partei hat die Beklagte auch die Kosten der Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Die Revision wird zugelassen, weil es um die Auslegung eines Tarifvertrags geht, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts hinaus erstreckt (§ 72 ArbGG).
Unterschriften
gez. Schrepfer, gez. Mangold, gez. Noll
Fundstellen