Entscheidungsstichwort (Thema)
Energieumwandlungssysteme (hier Aufdach-Solaranlage) unterfallen Elektrohandwerk. Montage des PV-Generators ist baulichen Leistung. Darlegungs- und Beweislast für Ausnahmen trägt Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Bei Errichtung einer Aufdach-Solarstromanlage ist die Montage des Photovoltaik-Generators keine Trocken- und Montagebauarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Die Montage des Photovoltaik-Generators, bei der Photovoltaik-Teilgeneratoren auf die Unterkonstruktion aufgebracht und angeschlossen werden, ist als Installation eines Energiewandlungssystems anzusehen und nicht vergleichbar mit der Bekleidung einer Außenwand mit "Baufertigteilen".
Normenkette
SokaSiG § 7; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12; ArbGG § 66
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.04.2016; Aktenzeichen 7 Ca 1014/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 2016 – 7 Ca 1014/15 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der deutschen Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, nimmt er - nach Verbindung von ursprünglich zwei getrennten Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung - die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2009 bis November 2011 sowie für Angestellte für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 in Höhe von insgesamt EUR 102.423,13 in Anspruch.
Die Beklagte wurde im Jahre 2008 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war bis 2012 der „Handel mit Solar- und Photovoltaikanlagen jeder Art, die Projektierung und der Bau von Solar- und Photovoltaikanlagen einschließlich deren Reparatur und Wartung sowie die Beratung bei der Planung und Gründung von Solar- und Photovoltaik-Beteiligungsgesellschaften.“ Weiterhin ist Gegenstand auch die Ausführung sämtlicher Arbeiten des Elektrotechnikerhandwerks. Von der Beklagten angeboten und verkauft wurden Aufdach-Solarstromanlagen, auch mit deren Montage. Die Beklagte beschäftigte im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Elektrotechnikermeister, die alle Arbeiten, insbesondere die Arbeitsschritte „Montage der Unterkonstruktion des PV-Generators“ und die „Montage des PV-Generators“, beaufsichtigt und überwacht haben.
Die Beklagte meldete sich erstmalig am 17. Oktober 2013 zwecks Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Kläger. Aufgrund eigener Nachforschungen des Klägers eröffnete dieser am 5. Juli 2014 das Sozialkassenbeitragskonto für die Beklagte.
Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden mit dem Az. 7 Ca 1014/15 (vorher 7 Ba 2171/15) hat der Kläger die Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2009 bis November 2010 in Höhe von insgesamt EUR 35.205,00 verlangt. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden mit dem Az. 7 Ca 1432/15 (vorher 7 Ba 4020/15) hat der Kläger Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 sowie für Angestellte für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 in Höhe von insgesamt EUR 38.038,00 geltend gemacht. Im Verfahren mit dem Az. 7 Ca 1014/15 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. April 2016 die Klageforderung auf EUR 64.385,13 erweitert.
Mit Beschluss vom 20. April 2016 (Bl. 99, 100 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Verfahren mit den Az. 7 Ca 1014/15 und 7 Ca 1432/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Az. 7 Ca 1014/15 verbunden.
Der Kläger hat für Dezember 2009 eine Bruttolohnsumme von EUR 17.776,00 und dementsprechend eine Beitragsforderung von EUR 3.519,65 (19,8%) zugrunde gelegt. Für das Kalenderjahr 2010 hat der Kläger den Beitragsforderungen mitgeteilte und gezahlte Bruttolohnsummen in Höhe von EUR 335.347,00 zugrunde gelegt, woraus er bei einem monatlichen Beitragssatz von EUR 5.533,22 (19,8%) für die Monate Januar bis November 2010 eine Beitragsforderung von insgesamt EUR 60.865,48 (11 x EUR 5.533,22) errechnet hat. Für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 hat der Kläger sogenannte Mindestbeiträge zugrunde gelegt, wobei er davon ausgeht, dass die Beklagte monatlich mindestens fünf gewerbliche Arbeitnehmer sowie zwei Angestellte beschäftigte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb. Durch die Montage von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden erfahre das Bauwerk eine Erweiterung der ursprünglichen Zweckbestimmung (z. B. Wohnen) um die der Stromgewinnung. Es handele sich um bauliche Leistungen, da das Gebäude seinem nut...