Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung. Effektivklausel. Darlegungslast bei Mitbestimmung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Zur Anrechnung übertariflicher Gesamtbezüge bestehend aus einem Grundgehalt und Provisionen, auf Tariflohnerhöhungen.

2) § 5 Nr. 6 des Manteltarifvertrages für die Hessistehn Einzelhandel vom 17.05.1985 ist nicht dahin zu verstehen, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, das vertragliche Grundgehalt auf das Tarifgehalt zu erhöhen und daneben die vertragliche Provision ohne Anrechungsmöglichkeit beizubehalten. Sollte diese Auslegung nicht zutreffen, dann ist § 5 Nr. 6 eine unzulässige begrenzte Effektivklausel.

3) Beruft sich der Arbeitgeber im Prozeß mit dem Arbeitnehmer auf einen Tatbestand, für den ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 BetrVG besteht, dann muß er darlegen und beweisen, daß er den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt hat. Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers wird aber erst ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung des Betriebsrats bestreitet (im Anschluß an BAG AP Nr. 36 zu § 613 a BGB, BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

 

Normenkette

MTV Hess. Einzelhandel vom 17.05.1985 § 5 Nr. 6; TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung § 4; TVG Effektivklausel § 4; BetrVG 1972 § 87

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Teilurteil vom 18.09.1986; Aktenzeichen 10 Ca 104/86)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18.09.1986 abgeändert.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütungsansprüche des Klägers.

Der Kläger ist bei dem verklagten Radiohändler seit dem 3.12.1979 als Verkäufer beschäftigt. Gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 29.11.1979 (Bl. 7 ff. d.A.) war ihm für die ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses ein „Mindestmonatsgehalt” von 2.600,– DM garantiert (§ 18 des Vertrages). Für die Folgezeit setzte sich das monatliche „Bruttogehalt” zusammen aus einem „Grundgehalt” von 1.500,– DM, Pro Visionen auf Eigenumsätze und Prämien (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Übertarifliche Bezüge waren u. a. bei Tariferhöhungen sowie beim Aufrücken in ein höheres Berufs- oder Tätigkeitsjahr anrechenbar; sie konnten im übrigen unter Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis vereinbarten Kündigungsfrist gekündigt werden (§ 4 Abs. 2 des Vertrags). Soweit sich aus dem Arbeitsvertrag nichts anderes ergab, sollten Mantel- und Gehaltstarifverträge für den Hessischen Einzelhandel in der jeweiligen Fassung angewendet werden (§ 15 des Vertrags). Für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags war nach dessen § 17 die Schriftform vereinbart.

Im Jahre 1981 übersandte die Beklagte dem Kläger im Zuge einer betrieblichen Eingruppierungsaktion – damals war bei der Beklagten ein Betriebsrat gewählt worden – die folgende formularmässige „Gehaltsmitteilung”:

„In Abstimmung mit dem Betriebsrat wurden Sie mit Wirkung vom 1. März 1981 in die Tarifgruppe II, 4 Berufsjahr eingestuft.

Entsprechend dem ab 1. März 1981 gültigem Tarifvertrag des Hessischen Einzelhandels beträgt Ihr Tarifgehalt DM 1.804,–. Dieses Tarifeinkommen wird Ihnen garantiert.”

Das garantierte Gehalt wurde von der Beklagten nicht mit dem vertraglichen „Grundgehalt” gleichgesetzt. Dieses wurde von der Beklagten wiederholt erhöht, und zwar ab 1.3.1980 auf 1.610,– DM, ab 1.3.1981 auf 1.670,– DM, ab 1.3.1982 auf 1.720,– DM und ab 1.7.1983 auf DM 1.770,–.

Die Gesamtbezüge des Klägers, bestehend aus „Grundgehalt”, Provisionen und Prämien, lagen stets über dem Tarifgehalt.

Die einschlägigen Gehaltstarifverträge waren bisher ausnahmslos für allgemeinverbindlich erklärt.

Der Manteltarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel vom 8.11.1976, der bis 1981 allgemeinverbindlich war, enthielt in seinem § 5 Nr. 6 folgende Regelung: „Werden mit Arbeitnehmern Provisionen vereinbart, so muß mindestens das Einkommen in Höhe des tariflichen Gehalts einer gleichartigen Tätigkeit garantiert werden.”

Der nächste Manteltarifvertrag vom 16.1.1981 war nicht allgemeinverbindlich. Sein § 5 Nr. 6 bestimmte in der bis zum 31.12.1982 gültigen Fassung folgendes:

„Sind oder werden mit Arbeitnehmern Provisionen vereinbart, so muß mindestens das Einkommen in Höhe des tariflichen Gehalts/Lohnes einer gleichartigen Tätigkeit garantiert werden. Bei Gehalts-/Lohnerhöhungen muß das Fixum jeweils um den DM-Betrag angehoben werden, um den das entsprechende Tarifgehalt/-lohn angehoben wird”.

Ab 1.1.1983 trat an die Stelle dieser Regelung die folgende Fassung:

„Bezieht ein Arbeitnehmer verschiedene Arten von Vergütungen (Fixum und Provision, ausgenommen Stück- und ähnliche Prämien), so muß das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt/Tariflohn entsprechen.

Bestehen für den Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarungen oder einzelvertraglich andere Regelungen, so sind diese bis zum 1.1.1983 dieser Bestimmung anzupassen.”

Der derzeit gültige Manteltarifvertrag vom 17.5.1985 ist mit Wirkung vom 15.8.1985 allgemeinverbindlich. Sein § 5 Nr. 6 gleicht der ab 1....

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