Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfrühungsschaden. Umfang des Schadensersatzanspruchs aus § 113 Satz 3 InsO
Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch aus § 113 Satz 3 InsO ist auf die Höhe des Verdienstausfalls begrenzt, der durch eine Verkürzung der sonst anwendbaren Kündigungsfrist im Insolvenzfall entsteht.
Andere Nachteile wegen der Kündigung in der Insolvenz sind nicht ersetzbar, insbesondere nicht der Nachteil durch den eventuell früher endenden Bezugszeitraum für Arbeitslosengeld I.
Normenkette
InsO § 113 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 19.06.2012; Aktenzeichen 1 Ca 1330/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Juni 2012 - 1 Ca 1330/11 - teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des Klägers eine weitere Forderung von 126,79 € brutto zur Insolvenztabelle festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 96 %, der Beklagte 4 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Feststellung von Vergütungsforderungen des Klägers zur Insolvenztabelle.
Der am 02. Oktober 1952 geborene verheiratete Kläger war seit dem 01. August 1985 bei der A in B beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 3.803,55 € zuzüglich 380 € brutto als jährlichem Urlaubsgeld.
Über das Vermögen der A wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 01. Juli 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (AZ.: 10 IN 298/10).
Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 (Bl. 9 -10 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der insolvenzrechtlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten zum 31. Oktober 2010. Die "reguläre" Kündigungsfrist des Klägers hätte bei 7 Monaten gelegen und das Arbeitsverhältnis erst zum 28. Februar 2011 enden lassen.
Mit der Kündigung wurde der Kläger auch freigestellt mit der Formulierung:
"Sie werden ab sofort unter Anrechnung gegebenenfalls noch vorhandenen Urlaubs und Überstunden von der Arbeit freigestellt."
Mit Schreiben vom 04. August 2010 (Bl.11 - 14 d. A.) meldete die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu seinen Gunsten eine Forderung in Höhe von 17.096,49 € als "Verfrühungschaden" zur Insolvenztabelle an, zusammengesetzt aus der Bruttovergütung für 4 Monate, Urlaubsvergütung und Urlaubsgeld. Der Beklagte bestritt diese Forderung unter dem 31. August 2010 vorläufig. Am 26. Juli 2011 wurde die Forderung in Höhe von 8.564,59 € nachträglich zu Insolvenztabelle festgestellt; das ist im Wesentlichen die Bruttovergütung für die Monate November 2010 bis Februar 2011 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes.
Der Kläger bezog in der Zeit seit Beginn der Arbeitslosigkeit von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 56,47 Euro; dies entspricht einem monatlichen Betrag in Höhe von 1.694,10 Euro, befristet bis maximal 30.09.2012. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Ablichtung des Bewilligungsbescheides vom 05.10.2010 (Blatt 20 - 23 d.A.) verwiesen.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, der ihm nach der Insolvenzordnung zustehende Schadenersatzanspruch umfasse die komplette Vergütung des Klägers für die vier fraglichen Monate. Das erhaltene Arbeitslosengeld dürfe hierauf nicht angerechnet werden, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld vier Monate früher in Anspruch genommen werden musste und damit auch vier Monate früher ende. Es sei wegen seines Alters nicht zu erwarten, dass er noch einen anderen Arbeitsplatz erhalten könne. Insgesamt belaufe sich dieser Teil des Schadens daher auf 15.214,20 Euro (3.803,55 x 4 Monate).
Ferner hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass in dem Zeitraum, den der Verfrühungsschaden umfasst (hier: 01. November 2010 bis 28. Februar 2011), ein Urlaubsanspruch von 10 Tagen entstanden sei. Da der Kläger diesen nicht in Natur habe antreten können, wandele er sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 175,55 Euro pro Tag um (3.803,55 x 3 Monate dividiert durch 65 Arbeitstage). Mithin ergebe sich hieraus ein weiterer Schaden von 1.755,50 Euro.
Schließlich müsse auch das Urlaubsgeld in Höhe von 10 % eines Gehalts berücksichtigt werden. Für vier Monate errechne sich daraus ein Betrag in Höhe von 126,79 Euro brutto.
Der Urlaubsanspruch sei auch nicht durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Freistellung verbraucht. Zwar sei eine Freistellung durch den Arbeitgeber während der Kündigungsfrist unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche zulässig. Allerdings habe hier die arbeitgeberseitige Erklärung nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs von Urlaub erfolgen und in welchem Umfang dies geschehen sollte.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, zugunsten des Klägers eine weitere Forderung in Höhe von 1.882,29 EUR (in Worten: Eintausendachthundertzweiundachtzig und 29/100 Euro) brutto zur Insolvenzta...