Rechtskraft: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönlicher Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes
Leitsatz (amtlich)
Zu den „Arbeitnehmern, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtigen Tätigkeiten ausüben” gehören auch geringfügige Beschäftigte, da § 1 Ziffer 3 BauRTV auf die versicherungspflichtige Tätigkeit abstellt und nicht an die persönlichen Rentenversicherungspflicht anknüpft.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 30.06.1987; Aktenzeichen 2 Ca 8225/86) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30.6.1987 – 2 Ca 8225/86–wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beitrage für die Zusatzversorgung, den Lohnausgleich und den Urlaub der Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten nach § 2 Abschn. I Ziff. 6 Zahlung von Beiträgen für die Zeit ab Dezember 1981 bis September 1986.
Die Beklagten nahmen an Sozialkassenverfahren der Bauwirtscharft teil. In den Meldungen waren jedoch die Lohnsummen für die geringfügig beschäftigten gewerblichen Aushilfen oder Teilzeitkräfte nicht enthalten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch für die versicherungsfreien geringfügig Beschäftigten seien Beiträge abzuführen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 15.889,80 DM zu verurteilen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, schon nach dem Wortlaut des Verfahrens-TV würden die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer nicht erfaßt, da nur für Arbeitnehmer Beiträge abzuführen seien, „die eine nach den Vorschriften der RVO über die Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben”. Für den im Streitfalle interessierenden Personenkreis bestehe aber eine Versicherungspflicht gerade nicht. Es komme hinzu, daß geringfügig Beschäftigte auch keine Ansprüche aus den verschiedenen Sozialkassentarifverträgen erwerben könnten. Daher habe auch kein Anlaß bestanden, sie in die Beitragsregelung des Tarifvertrages aufzunehmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der Tarifvertrag stelle nicht darauf ab, ob der jeweilige Arbeitnehmer selbst der Versicherungspflicht unterliege, sondern darauf, ob es sich um eine versicherungspflichtige Tätigkeit handele.
Gegen das ihnen am 14.7.1987 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 5.8.1987 Berufung eingelegt und diese an 3.1.8.1987 begründet.
Die Beklagten vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz und verweisen darauf, daß die Tarifvertragsparteien an die in der RVO verwendeten Begriffe anknüpften, so daß zwischen versicherungspflichtiger Tätigkeit (§ 1227 RVO) und versicherungsfreier Tätigkeit (§ 1228 und § 1229 RVO) zu unterscheiden sei.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30.6.1987 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Sie macht geltend, naß auch geringfügig Beschäftigte Leistungen nach den Sozialkassentairfvertragen erhalten können.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 ArbGG) ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.
In der Sache selbst ist die Berufung nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Beitragsanspruch für begründet erachtet. Auch das Berufungsvorbringen der Parteien rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Beklagten sind verpflichtet, Beiträge auch für die geringfügig Beschäftigten abzuführen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen.
Der Persönliche Geltungsbereich des Verfahrens-Tarifvertrages vom 12.11.1980 in der Fassung vom 17.12.1980, 19.12.1983 und 12.12.1984 erfaßt in § 1 Ziff. 3 (Persönlicher Geltungsbereich)
Arbeitnehmer, die eins noch den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben.
Welchen Personenkreis die Tarifvertragsparteien mit dieser Geltungsbereichsregelung haben erfassen wollen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Tarifauslegung ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (vgl. BAG NZA 1985, S. 160). § 1 Ziff. 3...