Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Bautarifverträge. Erfolgreiche Auskunfts- und Beitragsklage im Sozialkassenverfahren des Baugewerbes aus dem Bereich Kabelleitungs- und Tiefbauarbeiten. Verletzung der Darlegungslast bei Auskunfts- und Beitragsklagen zur betrieblichen Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Sozialkassenverfahren Bau ist es ausreichend, wenn die beitragseinziehende Stelle schlüssig behauptet, dass der Arbeitgeber während des gesamten Klagezeitraums einen baugewerblichen Betrieb unterhalten hat und sich hierbei auf konkrete unstreitige Eintragungen, Erklärungen und Selbstauskünfte des Arbeitgebers gegenüber Behörden sowie gegenüber ihr selbst stützt.

 

Normenkette

VTV-Bau §§ 18, 21

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.02.2009; Aktenzeichen 10 Ca 115/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20.02.2009 – 10 Ca 115/08 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt,

  1. an die Klägerin 32.530,46 EUR (in Worten: Zweiunddreißigtausendfünfhundertdreißig und 46/100 Euro) zu zahlen;
  2. der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten in den Monaten Dezember 2005 bis Februar 2008 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden und welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeitrage insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
  3. für den Fall, dass er der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 38.695,00 EUR (in Worten: Achtunddreißigtausendsechshundertfünfundneunzig und 00/100 Euro) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen bzw. Mindestbeiträgen für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2005 und März bis August 2008 sowie um die Erteilung von Auskünften im Rahmen des Sozialkassenverfahrens des Baugewerbes für die Zeit von Dezember 2005 bis Februar 2008.

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen im Baugewerbe verpflichtet. Der Beklagte unterhält einen Betrieb, der bei der Stadt A seit 1997 als Tiefbau- und Baggerbetrieb eingetragen ist. Sämtliche gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebes sind bei der Sozialversicherung als Bauhelfer bzw. Bauhilfsarbeiter angemeldet. In einem Fragebogen der Arbeitsverwaltung im Rahmen der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft gab der Beklagte unter dem 14.12.2003 als betriebliche Tätigkeiten die Ausführung von Kabelverlegearbeiten, Erdbewegungsarbeiten und Kabelleitungstiefbauarbeiten für die Post an (Bl. 23 d.A.). Am 22.01.2008 füllte er ein Stammblatt der Klägerin aus, in dem er als arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit das Ausheben von Gräben, Verlegen von Kabel und Wiederverfüllen der Gräben angab (Bl. 4 d.A.). Mit Schreiben vom 19.03.2008 wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten, nachdem er die Tätigkeit im Betrieb „angesehen und analysiert” hatte, an die Klägerin, bat um die Aufnahme von Einigungsverhandlungen für die rückwirkende Inanspruchnahme und erklärte darüber hinaus, dass der Beklagte für die Zeit ab dem 1.01.2008 ordnungsgemäß am Verfahren teilnehmen werde (Bl. 25 d.A.).

Die Klägerin hat den Beklagten, der nicht Mitglied eines der tarifvertragsschließenden Verbände des Baugewerbes ist, zunächst auf Zahlung von Mindestbeiträgen für den Zeitraum Januar bis November 2004 sowie zur Vorbereitung von Beitragszahlungen auf Erteilung von Auskünften über die Anzahl der bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer sowie die Höhe der Bruttolohnsummen für den Zeitraum Dezember 2004 bis August 2008 in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb des Beklagten dem Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifvertrags unterfalle. Sie hat behauptet, die durchschnittlich zwei gewerblichen Arbeitnehmer des Beklagten hätten in den Kalenderjahren 2003 bis 2008 zu mehr als 50 % ihrer jeweiligen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit des Betriebes ausmache, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Tiefbauarbeiten verrichtet.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 10.846,00 zu zahlen;
  2. den Beklagten zu verurteilen, ihr auf dem zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, i...

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