Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrarbeitsvergütung für Wegestrecken
Leitsatz (amtlich)
Ein Busfahrer eines öffentlichen Nahverkehrsbetriebes hat keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für zurückgelegte Wegestrecken zwischen Ablösestellen im Liniennetz und dem Betriebshof gem. § 4 Abs. 2 Anlage 1 zum BMT-G, wenn das Aufsuchen des Betriebshofes nicht vom Arbeitgeber angeordnet oder aus der Natur der Sache heraus erforderlich ist (Revision zugelassen).
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Teilurteil vom 31.05.1991; Aktenzeichen 5 Ca 62/91) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Teilurteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom 31. Mai 1991 – 5 Ca 62/91 – teilweise abgeändert:
Die Klage wird, soweit durch das angefochtene Teilurteil über sie entschieden worden ist, auch im übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision gegen dieses Urteil wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Mehrarbeitsvergütung für Wegstrecken zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle und umgekehrt für die Zeit von Januar 1990 bis Ende Februar 1991.
Der Kläger ist seit dem 01. Oktober 1959 bei der Beklagten, seit langer Zeit als Busfahrer, beschäftigt (Arbeitsvertrag Bl. 136 u. 137 d.A.). Maßgeblich für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist seit dem 01. April 1974 der Arbeitsvertrag vom 05. April 1974 (Bl. 138 u. 139 d.A.). Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, die Beklagte des Hessischen Arbeitgeberverbandes der Gemeinden und Kommunalen Arbeitgeberverbände. Nachdem der Kläger längere Zeit freigestelltes Betriebsratsmitglied war, wird er seit dem 04. April 1990 wieder als Busfahrer eingesetzt. Für den Einsatz im Einmannbetrieb erhält er eine Zulage gem. § 17 des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter Gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) – Anlage 1 – von DM 450,00 im Monat. Der Kläger beginnt und beendet seine Fahrtätigkeit nach Dienstplan nicht immer im Betriebshof der Beklagten in der … Straße in …, sondern an verschiedenen Ablösestellen im Busnetz. Er ist gehalten, im Fahrdienst Dienstkleidung zu tragen, und führt in einer Aktentasche bei einem Gesamtgewicht von etwa 10 kg verschiedene Ausrüstungsgegenstände (Aufstellung Bl. 39 d.A.) mit sich. Die Einnahmen des Klägers aus dem Verkauf von Fahrscheinen gehen pro Schicht im Regelfall über DM 300,00 nicht hinaus, sondern bleiben je nach Lage der Schicht meistens erheblich darunter. Die arbeitsvertraglichen Pflichten der Busfahrer der Beklagten richten sich u.a. nach der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Kraftomnibussen (DF Kraft)”. Nach deren § 55 („Dienstanweisung für die Schaffnertätigkeit des Fahrpersonals”) Nr. 5.1 waren die Busfahrer bis zum 13. Januar 1990 verpflichtet, den Fahrausweis- und Bargeldbestand außerhalb der Schicht nur – im Tresor des Betriebshofs aufzubewahren. Diese Verpflichtung wurde mit Bekanntmachung der Beklagten vom 01. Januar 1990 (Bl. 14 d.A.) aufgehoben. Seitdem waren die Busfahrer praktisch nur noch verpflichtet, mindestens alle 5 Tage ihre Einnahmen im Betriebshof abzuliefern und, falls erforderlich, neue Fahrscheine und Wechselgeld entgegenzunehmen. An jedem fünften Tag ist, wenn der Dienst nicht am Betriebshof endet und die Wegezeit von der Ablösestelle zum Betriebshof mehr als 10 Minuten ausmacht, eine entsprechende Zeit in den Dienstplan der Busfahrer eingearbeitet. Die Beklagte unterrichtet ihre Busfahrer durch Bekanntmachungen, die im Betriebshof aushängen (Beispiele Bl. 157–168 d.A.). Bei der Beklagten galt seit August 1985 eine Betriebs Vereinbarung, die „Wegezeit” als „die tatsächlich aufgewandte Zeit” umschrieb, „die notwendig ist, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Betriebsbahnhof zum Ablösepunkt oder vom Ablösepunkt zum Betriebsbahnhof zu gelangen” (Bl. 56–64 d.A., insbesondere Bl. 60). Diese Betriebsvereinbarung wurde durch eine durch den Spruch einer Einigungsstelle am 25. September 1989 beschlossene Betriebsvereinbarung ersetzt, die unter Nr. 7 lautet: „Die übrigen Regelungen, insbesondere hinsichtlich der Vorbereitung s- und Abschlußzeiten und der Arbeitszeitberechnung, richten sich nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen” (Bl. 12 d.A.). Der Kläger hat eine Aufstellung von Wegezeiten unter Abzug von jeweils 10 Minuten je Schicht gem. § 4 Abs. 2 „Sondervereinbarung gem. § 2 Buchstabe a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben”, (Anlage 1 zu § 2 BMT-G, Sondervereinbarung, SV) für das Jahr 1990 (Bl. 17 u. 18 d.A.) und für die Monate Januar und Februar 1991 (Bl. 46 u. 47 d.A.) erstellt. Er errechnet danach unter Berücksichtigung von Aufschlägen für Sonntags- und Mehrarbeit für –1990 einen Anspruch von DM 751,43 (Berechnung im einzelnen Bl. 5 d...