Entscheidungsstichwort (Thema)
13. Monatseinkommen Bau 1996
Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet wegen wirtschaftlicher Notlage des Arbeitgebers auf nachwirkende tarifvertragliche Zahlungsansprüche zu verzichten.
Verfahrensgang
ArbG Wetzlar (Urteil vom 21.05.1997; Aktenzeichen 2/3 Ca 17/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 21. Mai 1997 – 2/3 Ca 17/97 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Leistung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 1996.
Der Kläger war im gesamten Jahr 1996 bei der Beklagten, einem unternehmen der Bauindustrie als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Beide Parteien waren im gesamten Jahr 1996 kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden.
In dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe ist zur Geltendmachung von Ansprüchen unter § 16 folgendes geregelt:
- „Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
- Lehnt die gegenpartei den Anspruch ab odr erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.”
Außerdem findet auf das Arbeitsverhältnis der vom Arbeitgeberverband mit Wirkung zum 31. Oktober 1996 gekündigte Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 Anwendung. Danach hätte dem Kläger für das Jahr 1996 eine Sonderzahlung in der unstreitigen Klagehöhe zugestanden. Die Sonderzahlung wäre nach § 6 des Tarifvertrages mit dem Novemberlohn fällig geworden.
Die Beklagte lehnte eine Zahlung aus wirtschaftlichen Gründen ab. Im November 1996 klärte die Geschäftsführung der Beklagten die Mitarbeiter darüber auf, daß dem unternehmen die Zahlung der Jahressondervergütung für 1996 nicht möglich sei. Es wurden Betriebsversammlungen durchgeführt. Im Anschluß daran begannen Gespräche und Verhandlungen unter Beteiligung der Unternehmensleitung den Betriebsräten sowie Vertretern der Gewerkschaft. Als Ergebnis dieser Gespräche unterbreitete die Geschäftsführung der Beklagten den Vorschlag, daß an die Mitarbeiter an Stelle der tariflichen Jahressonderzahlung 1996 in den Monaten April und September 1997 eine „Treue-/Solidaritätsprämie” in Höhe von jeweils 200,00 DM gezahlt werden sollte. Eine gesonderte Kommission unter Beteiligung der Mitarbeiter sollte die Bilanz zum 30. Juni 1997 einsehen, das Ergebnis mit der Geschäftsleitung diskutieren und gegebenenfalls über eine Erhöhung der Prämie beraten. Darüber hinaus erklärte sich die Geschäftsleitung bereit, eine Absichtserklärung dahingehend abzugeben, daß bis zum 31. März 1998 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Sollten solche Kündigungen aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen dennoch erforderlich sein, so sollten die dann gekündigten Mitarbeiter eine Abfindung erhalten, in der die Jahressonderzahlung für 1996 kapitalisiert wird. Der Kläger hat diesem Vorschlag der Beklagten nicht zugestimmt.
Mit seiner am 08. Januar 1997 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 1996 eingefordert. Zuvor hatte der Kläger diesen Anspruch nicht gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 4.540,59 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab 22. Januar 1997 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie könne keine konkreten Angaben zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens machen, da sie sich gegenüber ihren Kreditgebern zur Verschwiegenheit verpflichtet habe; außerdem befürchte sie eine Rufschädigung im Verhältnis zu ihren Geschäftspartnern. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, im Jahre 1995 sei nach dem schlechtesten wirtschaftlichen Ergebnis der Unternehmensgeschichte im zusammenwirken mit den Banken ein sanierungskonzept erarbeitet worden; das Unternehmen sei reorganisiert und das Personal abgebaut worden; am Standort Idar-Oberstein hätten von 166 Mitarbeitern 58 und in Wetzlar von 299 Mitarbeitern 75 ausscheiden müssen, wobei ein sozialplanvolumen von 1,75 Mill. DM angefallen sei. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, Ziel der Sanierungsbemühungen sei für 1996 ein ausgeglichenes bilanzielles Ergebnis gewesen; von der Vorlage eines solchen ausgeglichenen Ergebnisses hänge der Fortbestand des Unternehmens ab; die Gesellschafter hätten seit Jahren keine Ausschüttungen mehr erhalten und sich mit ihrem Privatvermögen für Darlehensgewährungen verbürgt; Die billanzielle Ausweisung der verbindlichkeiten für die Zahlung einer Jahressonderverg...