Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Chefarztvertrages hinsichtlich der tarifliche Vergütung. Tarifvertragsersetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die objektive Auslegung einer Musterklausel in einem Chefarztvertrag, wonach dann, wenn der BAT oder der maßgebende Vergütungstarifvertrag im Bereich der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt wird, für die feste Vergütung des Chefarztes an die Stelle der Vergütungsgruppe I BAT die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrags unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen tritt, lässt gleichermaßen drei Ergebnisse als vertretbar erscheinen, nach welchen tarifvertraglichen Vergütungsgruppen sich die feste Vergütung des Chefarztes ab 1. August 2006 richtet.
a. Sowohl der TVöD als auch der TV-Ärzte/VKA stellen im Sinne der Klausel den BAT ersetzende Tarifverträge dar.
- Der Begriff des ersetzenden Tarifvertrages hat in einzelvertraglichen Bezugnahmeklauseln typischerweise die tarifrechtliche Ablösung eines Tarifvertrages durch einen anderen zum Inhalt.
- In ihren Geltungsbereich handelt es sich sowohl beim TVöD als auch beim TV-Ärzte/VKA tarifrechtlich um den BAT ersetzende Tarifverträge.
- Ein im Sinne der Bezugnahmeklausel den BAT ersetzender Tarifvertrag kann nicht nur ein einziger, den BAT insgesamt ablösender Tarifvertrag sein.
- Von der Bezugnahmeklausel umfasst ist nicht nur ein den BAT unmittelbar ablösender, sondern auch ein einen zunächst an die Stelle des BAT getretenen Tarifvertrag ablösender weiter Tarifvertrag.
b. Es verdient nicht eine Auslegung den Vorzug, wonach bei tarifrechtlich eingetretener Tarifpluralität den BAT ersetzender Tarifvertrag im Sinne der Klausel nur der nach seinem Geltungsbereich allgemeinere oder speziellere Tarifvertrag wäre.
c. Im Sinne der Klausel der bisherigen Vergütungsgruppe I BAT entsprechende Vergütungsgruppe sind ab 1. August 2006 im Bereich des TVöD sowohl gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA die Entgeltgruppe 15 Ü nach Anlage 1 zum TVÜ-VKA als auch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA die Entgeltgruppe II nach § 51 Abs. 1 TVöD-BT-K, im Bereich des TV-Ärzte die Entgeltgruppe IV nach § 16 Buchst. d) TV-Ärzte/VKA.
d. Objektiv vorzugswürdig ist nach dem mit der Klausel typischerweise verfolgten Zweck, die feste Vergütung des Chefarztes entsprechend der Tarifentwicklung zu dynamisieren, keine der in Betracht kommenden Vergütungsgruppen.
2. Die Unklarheitenregel gemäß § 305 c Abs. 2 BGB führt zur Maßgeblichkeit der für den Chefarzt günstigsten Auslegung, nämlich der Bemessung seiner festen Vergütung ab 1. August 2006 nach Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA. Die Anwendung von § 305 c Abs. 2 BGB scheitert nicht daran, dass bei Bezugnahme auf ein gesamtes Tarifwerk die Günstigkeit oder Ungünstigkeit der Anwendung eines Tarifvertrags je nach der von dem Arbeitnehmer erstrebten Rechtsfolge unterschiedlich ausfallen kann; die Klausel im Streitfall nimmt lediglich für die feste Vergütung des Chefarztes eine bestimmte Vergütungsgruppe in Bezug.
3. Ergibt die Anwendung von § 305 c Abs. 2 BGB den maßgeblichen Vertragsinhalt hinsichtlich der festen Vergütung, besteht insoweit weder eine Regelungslücke, noch kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.
Normenkette
TVÜ-VKA § 4 Abs. 1 Sätze 1-2; TVÜ-VKA Anl 1 Entgeltgr 15; TVöD BT-K § 51 Abs. 1; TVöD BT-K Entgeltgr 2; TV-Ärzte/VKA § 16 Buchs. d; TV-Ärzte/VKA Entgeltgr 4; BGB § 305c Abs. 2; BAT
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 17.04.2008; Aktenzeichen 12 Ca 31/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 17. April 2008 – 12 Ca 31/08 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.053,76 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus jeweils 756,72 Euro seit dem 01. September 2006, 01. Oktober 2006, 01. November 2006, 01. Dezember 2006, 01. Januar 2007, 01. Februar 2007, 01. März 2007 und 01. April 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/5, der Beklagten zu 4/5 zu tragen.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Festvergütung und die Berichtigung von Gehaltsabrechnungen. Hinsichtlich der dem Kläger zustehenden Festvergütung ist insbesondere die Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel im Streit.
Der Kläger war vom 1. August 1985 bis 31. März 2007 als leitender Abteilungsarzt der chirurgischen Abteilung des von dem Beklagten getragenen Kreiskrankenhauses beschäftigt. Der Beklagte ist Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).
Dem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien liegt der Dienstvertrag vom 2. Juli 1985 (Ablichtung als Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 10 – 40 d.A.) zu Grunde, in welchem es über die Vergütung ...