Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung durch Bevorzugung über 55 Jahre alter Beschäftigter der Bundeswehr bei der Anrechnung von Zulagen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrechnungsregel in § 6 Abs. 3 Satz 2 a in Verbindung mit Satz 4 a TVUmBW führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, soweit sie Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt.
2. Die Beseitigung der Diskriminierung hat durch Anspassung "nach oben" zu erfolgen.
3. (Anschluss an BAG vom 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - und LAG Hamburg vom 23. April 2014 - 3 Sa 50/13 -).
4. § 36 TVöD verlangt nur die einmalige Geltendmachung auch für zukünftige später fällig werdende Leistungen. Anspruch und spätere Leistungen müssen durch "denselben Sachverhalt"verknüpft sein.
Normenkette
AGG §§ 7, 10; TVöD § 37
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 28.11.2013; Aktenzeichen 8 Ca 150/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 2013 - 8 Ca 150/13 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 489,87 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB (Europäischen Zentralbank) seit dem 10. September 2013.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 94,4 %, die Beklagte zu 5,6 % zu tragen.
Die zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2,5 %, die Beklagte zu 97,5 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger zu zahlenden Zulage.
Der ... 1972 geborene Kläger ist seit dem 02. Februar 1997 bei der Beklagten im Materialdepot in A als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für beim Bund beschäftigte Arbeiter Anwendung. Das Beschäftigungsverhältnis wurde mit Inkrafttreten des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) in denselben übergeleitet.
Gemäß § 6 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2011 erhalten Arbeiter eine persönliche Zulage, sofern in den letzten fünf Jahren mindestens in achtundvierzig Kalendermonaten vor Aufnahme der neuen Tätigkeit am 01. Januar 2008 Zuschläge nach § 29 MTArb gezahlt wurden. Dies ist beim Kläger der Fall. Die persönliche Zulage betrug vor der Tariflohnerhöhung zum 01. Januar 2008 383,22 € brutto (Bl. 6 d. A.).
§ 6 TV UmBw lautet wie folgt:
"6 Einkommenssicherung
(1) Verringert sich bei Beschäftigten auf Grund einer Maßnahme im Sinne des § 1 Absatz 1 bei demselben Arbeitgeber das Entgelt, wird eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen ihrem Entgelt und dem Entgelt gewährt, das ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit zugestanden hat.
...
(2) Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Absatz 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Absatz 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die
a) eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,
b) noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel des Erhöhungsbetrages ... . Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte
a) das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,
b) eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder
c) zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Absatz 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag, ... eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.
..."
Der Tariflohn wurde ab 01. Januar 2008 um 3,1%, ab 1. Januar 2009 um 2,8%, ab 01. Januar 2010 um 1,2%, ab 01. Januar 2011 um 0,6%, ab 01. August 2011 um 0,5%, ab 01. März 2012 um 3,5%, ab 01. Januar 2013 um 1,4% und ab 01. August 2013 um 1,4% erhöht. Wegen der einzelnen Festsetzungen der persönlichen Zulage, auch der Jahressonderzahlung des Klägers wird auf die zur Akte gereichten Neufestsetzungsbescheide der Beklagten sowie auf die Aufstellung des Klägers in den Klageerweiterungsschriftsätzen vom 29. August 2013 und 14. November 2013 (Blatt 6 - 10, 14, 33 und 62 ff. d.A.).
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 30. September 2008 und zuletzt mit Schreiben vom 14. Juni 2013 gegen die Berechnung der Neufestsetzung der persönlichen Zulage seit dem 01. Januar 2008 (Bl. 11, 66 d. A.), zunächst mit der Argumentation, die vorgenommene Abschmelzung der Zulage sei unzutreffend berechnet. Es dürften entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Entgelterhöhungen des Grundgehalts und die Erhöhungsbeträge der persönlichen Zulage zusammengezählt und um ein Drittel gekürzt werden....