Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung durch Bevorzugung über 55 Jahre alter Beschäftigter der Bundeswehr bei der Anrechnung von Zulagen
Leitsatz (amtlich)
Die Anrechnungsregel in § 6 Abs. 3 Satz 2a in Verbindung mit Satz 4a TVUmBW führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, soweit sie Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt.
Die Beseitigung der Diskriminierung hat durch Anpassung "nach oben" zu erfolgen. (Anschluss an BAG vom 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - und LAG Hamburg vom 23. April 2014 - 3 Sa 50/13 -).
§ 37 TVöD verlangt nur die einmalige Geltendmachung auch für zukünftige später fällig werdende Leistungen. Anspruch und spätere Leistungen müssen durch "denselben Sachverhalt" verknüpft sein.
Orientierungssatz
1. Durch § 6 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TVUmBw) vom 18. Juli 2011 soll vorübergehend der Einkommensverlust ausgeglichen werden, der dadurch eintritt, dass ein Beschäftigter durch die Umstrukturierung der Bundeswehr zwar seinen konkreten Arbeitsplatz verloren hat, für ihn aber im Bereich der Bundeswehr eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Die Regelung des § 6 Abs 3 TV UmBw hat nicht den Ausgleich von Nachteilen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes zum Gegenstand. Insofern kann eine Differenzierung nach dem Lebensalter auch nicht mit unterschiedlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt begründet werden.
2. Eine Anpassung "nach oben" ist zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann.
Normenkette
TVG § 1; TVöD § 37; AGG §§ 10, 7 Abs. 2; EGRL 78/2000
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 28.11.2013; Aktenzeichen 8 Ca 575/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 2013 - 8 Ca 575/11 - werden zurückgewiesen.
Von den zweitinstanzlich angefallenen Kosten haben der Kläger 26 %, die Beklagte 74 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger zu zahlenden Zulage.
Der ... 1972 geborene Kläger ist seit dem 02. Februar 1997 bei der Beklagten im Materialdepot in A als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für beim Bund beschäftigte Arbeiter Anwendung. Das Beschäftigungsverhältnis wurde mit Inkrafttreten des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) in denselben übergeleitet.
Gemäß § 6 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2011 erhalten Arbeiter eine persönliche Zulage, sofern in den letzten fünf Jahren mindestens in achtundvierzig Kalendermonaten vor Aufnahme der neuen Tätigkeit am 01. Januar 2008 Zuschläge nach § 29 MTArb gezahlt wurden. Dies ist beim Kläger der Fall. Die persönliche Zulage betrug vor der Tariflohnerhöhung zum 01. Januar 2008 383,22 € brutto (Bl. 6 d. A.).
§ 6 TV UmBw lautet wie folgt:
"6 Einkommenssicherung
(1) Verringert sich bei Beschäftigten auf Grund einer Maßnahme im Sinne des § 1 Absatz 1 bei demselben Arbeitgeber das Entgelt, wird eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen ihrem Entgelt und dem Entgelt gewährt, das ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit zugestanden hat.
...
(2) Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Absatz 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Absatz 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die
a) eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,
b) noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel des Erhöhungsbetrages ... . Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte
a) das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,
b) eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder
c) zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Absatz 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag,... eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.
..."
Der Tariflohn wurde ab 01. Januar 2008 um 3,1%, ab 1. Januar 2009 um 2,8%, ab 01. Januar 2010 um 1,2%, ab 01. Januar 2011 um 0,6%, ab 01. August 2011 um 0,5%, ab 01. März 2012 um 3,5%, ab 01. Januar 2013 um 1,4% und ab 01. August 2013 um 1,4% erhöht. Wegen der einzelnen Festsetzungen der persönlichen Zulage, auch der Jahressonderzahlung des Kläg...