Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff im Zivilprozess. Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch Gesamtzusage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens wird durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt. Die Einheitlichkeit des Klageziels genügt deshalb nicht, um einen einheitlichen Streitgegenstand anzunehmen. Vielmehr muss auch der Klagegrund identisch sein.

2. Das Bundesarbeitsgericht lässt die Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch eine Gesamtzusage zu. Dabei muss allerdings der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.

 

Normenkette

BetrAVG § 1; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 2; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.07.2019; Aktenzeichen 19 Ca 8614/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 11. Juli 2019 – 19 Ca 8614/18 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Altersrente nach der Versorgungsordnung 1995 zu gewähren hat.

Der am xx. xx 1952 geborene Kläger wurde zum 01. Juli 1986 von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A eingestellt. Im „Dienstvertrag“ des Klägers vom 17. April 1986 ist in § 1 Abs. 5 vorgesehen, dass – soweit im Vertrag nichts anderes vereinbart ist – „für das Dienstverhältnis ergänzend der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in seiner jeweils gültigen Fassung“ Anwendung findet. Zuvor war der Kläger bei der B beschäftigt; diese hatte ihn beim Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes aG (im Folgenden: BVV) versichert.

Den bis zum 01. April 1984 eingestellten Arbeitnehmern der A waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in das Unternehmen bereitete die A eine Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung für die nach dem 31. März 1984 eingetretenen Arbeitnehmer vor. Diese wurde in der Folgezeit mit dem Betriebsrat verhandelt.

Der Kläger blieb nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit der A beim BVV weiter versichert. Mit Schreiben vom 09. Januar 1987 (vgl. Anlage K 3, Bl. 57 d. A.) erklärte die A dem Kläger unter anderem:

„…

Weiterhin zahlen wir Ihnen ab Januar 1987 monatlich DM 245,- als Beitragszuschuss zur Altersversorgung des BVV. Durch diese Regelung sind Sie von der betrieblichen Altersversorgung der C ausgenommen. …“

Der Kläger hat das Schreiben unter der Überschrift „Einverstanden“ unterzeichnet.

Zum 01. September 1987 trat bei der A die „Versorgungsordnung für Mitarbeiter mit Dienstantritt ab dem 01. April 1984 in der Fassung vom 28. September 1988“ (im Folgenden: VO 1988) als Anlage 3 der „Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in der Fassung vom 28. September 1988“ in Kraft (vgl. Anlage K 4, Bl. 58 – 76 d. A.). Die VO 1988 bestimmte auszugsweise:

㤠1

Kreis der Versorgungsberechtigten

(1) Jeder regelmäßig beschäftigte Mitarbeiter (weiblich oder männlich) der bei Inkrafttreten dieser Versorgungsordnung in einem Arbeitsverhältnis zu unserem Unternehmen steht oder danach mit ihm ein Arbeitsverhältnis begründet, erwirbt mit Vollendung des 17. Lebensjahres (Aufnahmealter) eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistung nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung.

(3) Von der Aufnahme in das Versorgungswerk sind ausgeschlossen:

a) aushilfsweise, befristet bzw. geringfügig im Sinne des § 8 SGB IV oder unregelmäßig Beschäftigte.

b) Mitarbeiter, die vor dem 01. April 1984 in das Unternehmen eingetreten sind.

….

§ 15

Anrechnungen

(3) Erhält ein Versorgungsempfänger Versorgungsleistungen oder Renten, die aus Mitteln eines anderen Arbeitgebers stammen oder mit dessen Beitragsbeteiligung erworben sind, so werden Leistungen insoweit angerechnet, als sie in Zeiten verdient wurden die … als Vordienstzeiten angerechnet werden.“

Die VO 1988 wurde durch die „Versorgungsordnung für Mitarbeiter mit Dienstantritt ab dem 01. April 1984 in der Fassung vom 25. September 1991“ (im Folgenden: VO 1991) abgelöst (vgl. Anlage K 5, Bl. 77 – 89 d. A.). Die zitierten Regelungen in § 1 und § 15 blieben unverändert.

Der Kläger schloss mit der A am 26. Juli 1993 (vgl. Anlage K 6, Bl. 90, 91 d. A.) eine Vereinbarung aufgrund derer die A bezüglich der freiwilligen Weiterversicherung des Klägers zum 01. Juli 1986 Versicherungsnehmerin des BVV wurde. Eine entsprechende Vereinbarung traf auch die Beklagte mit dem Kläger und dem BVV am 12. September 1994; danach wurde die Beklagte zum 01. Oktober 1993 Versicherungsnehmerin des BVV. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin zahlten 2/3 der Beiträge an den BVV, der Kläger zahlte 1/3 der Beiträge. Darüber hinaus schlossen die Parteien unter dem Datum des 01. ...

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