Leitsatz (amtlich)

Die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zur Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst:

”Pflegepersonal der Vergütungsgruppe Kr. I-VII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei

d) gelähmten … Patienten ausüben”

steht auch Pflegern zu, die Patienten im künstlichen Koma pflegen.

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 10.09.1997; Aktenzeichen 4 Ca 199/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 10.09.1997 – 4 Ca 197/97 – abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger DM 2.700,– (i. W. zweitausendsiebenhundert Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 22.04.1997 zu zahlen.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei dem beklagten Land angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Der Kläger wird als Krankenpfleger auf der operativen Intensivstation in der Chirurgie des von dem beklagten Land betriebenen Klinikums der … beschäftigt. Der Kläger ist eingruppiert in Vergütungsgruppe Kr. V BAT der Anlage 1 b zum BAT. In der Protokollerklärung Nr. 1 zur Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst (Anlage 1 b zum BAT) heißt es:

„Nr. 1 (1) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis VII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei

  1. an schweren Infektionskrankheiten erkrankten Patienten (z. B. Tuberkulosepatienten), die wegen der Ansteckungsgefahr in besonderen Infektionsabteilungen oder Infektionsstationen untergebracht sind,
  2. Kranken in geschlossenen oder halbgeschlossenen (Opendoor-system) psychiatrischen Abteilungen oder Stationen,
  3. Kranken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen,
  4. gelähmten oder an multipler Sklerose erkrankten Patienten,

ausüben, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,00 DM.

(1a) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. VII, die zeitlich überwiegend in Einheiten für Intensivmedizin Patienten pflegen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90.00 DM.”

Der Kläger erhält für seine Tätigkeit in der Intensivstation einmalig die monatliche Zulage von 90,00 DM gem. der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 a zur Anlage 1 b zum BAT, eingefügt mit Wirkung zum 01.01.1991. Der Kläger begehrt eine weitere monatliche Zulage von 90.00 DM gem. der oben genannten Protokollerklärung Abs. 1 Buchst. d) unter dem Gesichtspunkt der Pflege „gelähmter Patienten”. Der Kläger führt die Grund- und Behandlungspflege an den Patienten der operativen Intensivstation – Abteilung Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin – in der Chirurgie des Klinikums der … durch. Es handelt sich dabei überwiegend – zu mehr als 90 % – um Patienten, die durch Verabreichung von Opioiden, Sedativa und Muskelrelaxantien in den zustand einer „Lähmung” verbracht werden (vgl. schreiben des ärztlichen Leiters der Abteilung vom 25.08.1997 Bl. 33 d. A.). Diese Patienten, die an unterschiedlichen Grundleiden erkrankt sind, werden nach größeren operativen Eingriffen in diesen zustand aus therapeutischen zwecken versetzt.

Der Kläger machte die Zulage schriftlich gegenüber dem Klinikum der … geltend. Das Klinikum teilte dem Kläger mit schreiben 06.06.1995 Bl. 11 d. A.) daraufhin mit:

„Mehrfachgewährung von Zulagen der Protokollerklärung Nr. 1 zum BAT,

Ihr Antrag vom 29.05.1995.

Das für Tariffragen von grundsätzlicher Bedeutung zuständige Hess. Ministerium des Innern hat mich angewiesen, eine Doppelgewährung der Protokollerklärungszulage zu unterlassen, obwohl eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes dies als durchaus tarifrelevant anerkannt hat. Das Ministerium schließt sich vielmehr der Auffassung der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder an, wonach das BAG-Urteil nicht überzeugen und ihm nicht gefolgt werden könne. Das BAG habe die Entstehungsgeschichte, den Sinn und Zweck sowie den Gesamtzusammenhang der Protokollerklärung Nr. 1 verkannt.

Ich bitte Sie, dieser Entscheidung Verständnis entgegenzubringen, bestätige jedoch die wirksame Geltungmachung Ihres Anspruches für eine eventuell zukünftig mögliche Doppelgewährung der Zulage.”

Mit der am 15.04.1997 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung einer monatlichen Zulage von 90,00 DM gem. Protokollerklärung Nr. 1 zur Anlage 1 b zum BAT für die Zeit von Januar 1995 bis einschließlich April 1997 weiter.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn DM 2.700,00 brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 22.04.1997 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt, weil es der Ansicht ist, daß es sich bei der überwiegenden Anzahl der vom Kläger gepflegten Patienten, nämlich bei der Gruppe der Patienten, die medikamentös in einen zustand der „Bewußtlosig...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge