Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrheitspflicht Schlagwörter:
Leitsatz (amtlich)
Die beklagte Prozesspartei ist im Zivilprozess nicht davon entbunden, das klägerische Vorbringen vollständig, substantiiert und wahr zu bestreiten, wenn sie sich dadurch einer (weiteren) von ihr begangenen Straftat bezichtigen würde (anders BVerfGE 56,44,45).
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; StGB § 263; ZPO § 138 Abs. 1, § 138 II
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 28.07.2000; Aktenzeichen 5 Ca 648/98) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. Juli 2000 – 5 Ca 648/98 – wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.
Die Klägerin produziert und montiert Kunststofffenster. Der Beklagte zu 1) belieferte die Klägerin ausweislich der von ihr als Anlage zum Schriftsatz vom 16. Februar 2000 zur Akte gereichten Rechnungskopien bereits seit 1964 mit Schrauben. Jedenfalls zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) die Klägerin ausschließlich mit Schrauben der Firma H. belieferte und er von dieser Firma auch keine Schrauben zum Weiterverkauf im eigenen Namen oder der weiter von ihm geführten Bezeichnungen seiner Firma erwarb.
Für die Firma H. war der Beklagte zu 1) als Handelsvertreter tätig. An seinem Sitz unterhielt der Beklagte zu 1) ein von der Firma H. bestücktes Lager, von dem aus die Lieferungen an die Kunden erfolgten. Die Lagerbestände wurden monatlich mit der Firma H. abgeglichen. Fehlbestände wurden dabei zu keinem Zeitpunkt festgestellt. Der Vertrieb der H. Schrauben war gemäß den zwischen dem Beklagten zu 1) und der Firma H. getroffenen Vereinbarungen in der Weise abzuwickeln, dass die Lieferungen auf Lieferscheine der Firma H. erfolgten. Die Rechnungsstellung und der Ausgleich der Rechnungen wurde unmittelbar zwischen der Firma H. und den jeweiligen Kunden abgewickelt.
Neben den von der Firma H. für Schraubenlieferungen gestellten und von der Klägerin unmittelbar gegenüber der Firma H. ausgeglichenen Rechnungen stellte der Beklagte zu 1) auch eigene Rechnungen zunächst unter seinem Namen, sodann unter der Bezeichnung L. B., später unter Nutzung der Initialen seiner Ehefrau unter der Bezeichnung I. B. Ab August 1994 trat er dann unter Nutzung seiner eigenen Initialen unter der auch in den entsprechenden Rechnungen ausgewiesenen Bezeichnungen L. B. im Rechtsverkehr auf. Unter seinem eigenen Namen bzw. den vorgenannten weiter geführten Firmenbezeichnungen stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin von 1984 bis 1995 für Schraubenlieferungen Rechnungen in einer Gesamthöhe von 588.883,60 DM netto aus, die von der Klägerin ausgeglichen wurden. Wegen der Einzelheiten der gleichzeitig auch als Lieferscheine dienenden Rechnungen wird auf die von der Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 16. Februar 2000 zur Akte gereichten Kopien Bezug genommen.
Der Beklagte zu 2) war vom 1. Juni 1973 bis zum 18. September 1995 als Angestellter für die Klägerin tätig und unter anderem zuständig für die Annahme der Schraubenlieferungen durch den Beklagten zu 1). Die Lieferungen erfolgten nach von der Klägerin nicht bestrittenem übereinstimmenden Vorbringen der Beklagten zu 1) und 2) in der Weise, dass der Beklagte zu 1) einen Grossteil der angelieferten Schrauben unmittelbar an die einzelnen Arbeitsplätze verteilte und mit den jeweiligen Mitarbeitern auch unmittelbar den Bedarf für Nachlieferungen besprach. Der weit überwiegende Teil der vom Beklagten zu 1) ausgestellten Lieferscheine wurde vom Beklagten zu 2) unterzeichnet, ohne dass dieser jedoch im einzelnen die Lieferungen kontrollierte. Ein geringer Teil der als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 16. Februar 2000 zur Akte gereichten Lieferschein-/Rechnungskopien wurde auch von anderen Mitarbeitern der Klägerin gegengezeichnet.
Veranlasst durch zwei kurz hintereinander erfolgte Inrechnungstellungen größerer Schraubenlieferungen stellte die Klägerin Anfang September 1995 Nachforschungen an. Im Rahmen dieser Nachforschungen gab der Beklagte zu 1) zunächst mit Schreiben vom 14. September 1995, das in Kopie als Anlage zur Klageschrift zur Akte gereicht wurde (Bl. 8 d. A.), und später ergänzt durch die schriftliche Aussage vom 4. April 1996 (Anlage zur Klageschrift Bl. 9–11 d. A.) an, dass er erstmals im Sommer 1993 eine geringere Menge Schrauben lieferte als im Lieferschein ausgewiesen. Der Beklagte zu 2) habe den Lieferschein nach Hinweis auf die Fehlmenge und einem später auch eingelösten Versprechen der Zahlung eines Schweigegeldes unterschrieben. In dieser Weise sei in der Zeit bis zum September 1995 regelmäßig ca. zwei Mal im Monat verfahren worden. Im Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 2) habe er dadurch Fehlmengen in Höhe eines Warenwertes von höchstens 55.000,00 bis 60.000,00 DM verursacht; der Beklagte zu 2) habe als Schweigegeld jeweils 1/3 des Warenwertes der nicht gelieferten aber qu...