Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltskontrolle einer Versetzungsklausel in einem Arbeitsvertrag. Anforderungen an die Einhaltung des Transparenzgebots. Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsorts. Kollision von Direktionsrecht und Festsetzung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel, die die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung innerhalb des Unternehmens beinhaltet, ist inhaltlich abtrennbar. Soweit eine Klausel inhaltlich teilbar ist, führt eine Teilunwirksamkeit nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel.
2. Eine im Arbeitsvertrag geregelte Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs 1 S 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung im Sinne des § 307 Abs 3 S 1 BGB dar.
3. Eine transparente Versetzungsklausel im Sinne von § 307 Abs 1 S 2 BGB setzt nicht voraus, dass diese Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts oder eine Ankündigungsfrist enthält.
4. Die Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 S 1 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Arbeitsort des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Die Festlegung des Arbeitsorts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort.
5. Ein Arbeitnehmer kann die Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht verlangen, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz unmöglich oder unzumutbar ist. Mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes wird die Leistung unmöglich. Das gilt auch dann, wenn die bisherigen Aufgaben nicht entfallen, sondern durch Umorganisation auf andere Bereiche verteilt werden. Von der Unzumutbarkeit der Beschäftigung im Sinne von § 275 Abs 2 BGB ist auszugehen, wenn der Wegfall der Stelle auf der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers beruht (hier: bejaht).
6. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten kommt es auf den Inhalt und die Anforderungen der Tätigkeit, den Umfang der Entscheidungsbefugnisse und die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter an (hier: verneint).
Normenkette
BGB § 306 Abs. 1-2, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1; GewO § 106 S. 1; BGB § 275 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.08.2013; Aktenzeichen 11 Ca 1221/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 29. August 2013 - 11 Ca 1221/13 teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers mit Schreiben vom 16. Januar 2013 und Wirkung zum 21. Dezember 2012 auf die Stelle als Leiter zentrale Debitorenbuchhaltung unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung.
Bei der Beklagten handelt es sich um die Gesellschaft im Konzern der A, die das Schienennetz betreibt. Sie beschäftigt ca. 36.000 Arbeitnehmer. Die Führungsstruktur im A Konzern richtet sich nach der vom Konzernvorstand beschlossenen Richtlinie "Organisation und Managementsysteme" (Bl. 195 ff. d. A.). Nach Ziffer 4 Abs. 8, 9 dieser Richtlinie können Organisationseinheiten und Arbeitsgebiete eingerichtet werden; dabei sind Arbeitsgebiete organisatorische Einheiten innerhalb von Organisationseinheiten (Ziffer 4 Abs. 14). Die Rolle der jeweiligen Organisationseinheit ist in einer Funktionsbeschreibung niederzulegen, die Aufgaben eines Arbeitsgebiets sind in der Arbeitsgebietsbeschreibung niederzulegen. Jede Organisationseinheit und jedes Arbeitsgebiet wird von einem Leiter geführt. Der Leiter der Organisationseinheit ist gemäß Ziffer 5 der Richtlinie für die Erreichung der vereinbarten Ziele der Organisationseinheit und die Durchführung der definierten Aufgaben zuständig. Er trägt die volle Personalverantwortung (Ziffer 6 Abs. 2). So verantwortet er die Personalauswahl, die Entwicklung der Mitarbeiter; er legt das Gehalt fest und definiert, steuert und überwacht die Arbeit seiner Mitarbeiter. Eine Klassifikation der Organisationseinheiten nach Wertigkeit oder Berichtsebene erfolgt nicht (Ziffer 4 Abs. 13). Der Leiter eines Arbeitsgebiets unterstützt den Leiter der Organisationseinheit in seiner Führungsaufgabe durch Übernahme ausgewählter Elemente der Führungsaufgabe, wie z. B. fachliche, disziplinarische oder dispositive Führungsaufgaben (Ziffer 4 Abs. 14, Ziffer 6 Abs. 3). Das sind in der Regel die Definition und Beurteilung von Zielen sowie die Steuerung und Überwachung der Arbeit der ihm zugeordneten Mitarbeiter. Die Rollen in Bezug auf bestim...