Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. außerordentliche Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Die private Nutzung des Diensthandys im Ausland zum Versand von SMS rechtfertigt ohne vorherige Abmahnung nicht den Ausspruch einer Kündigung.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 9 AZN 1327/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 24. September 2010, 24 Ca 1967/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung, um Weiterbeschäftigung und um einen erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 126 bis 131 d.A.).
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 24. September 2010 verkündetes Urteil, 24 Ca 1697/10, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar liege eine vertragliche Pflichtverletzung des Klägers vor, denn er habe von April 2008 bis Januar 2010 in erheblichem Umfang SMS und MMS ohne dienstliche Veranlassung über sein Diensthandy im Dienstmodus versandt, Auslandstelefonate geführt und im Internet gesurft. Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei jedoch eine Abmahnung erforderlich gewesen, da der Kläger nicht ohne Weiteres habe erkennen können, dass sein Verhalten den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden könne und auch kein derart schwerer Pflichtverstoß vorliege, der eine Abmahnung entbehrlich mache. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 131 bis 142 d.A.).
Gegen dieses ihr am 20. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. November 2010 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 15. Dezember 2010 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 20. Januar 2011 am 19. Januar 2011 begründet.
Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys und der dadurch entstandenen Kosten sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtenverstoß fortsetzen. Entgegen der von der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung habe sie aus den monatlichen Telefonabrechnungen auch nicht einfach entnehmen können, in welchem Ausmaß der Kläger SMS verschickt oder sein Firmenhandy anderweitig privat genutzt habe. Dass sie über 22 Monate keine Überprüfung der Handyabrechnungen vorgenommen habe, führe ebenfalls nicht zum Abmahnungserfordernis, zumal keine normierte Verpflichtung bestehe, die dienstlichen Telefonrechnungen ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen, es zu ihren personalpolitischen Grundsätzen gehöre, ihre Arbeitnehmer nicht ständig zu kontrollieren, und es ihr von April 2008 bis Ende 2009 wegen Umzugs des Betriebs A in einen Neubau und damit einhergehender Schwierigkeiten, eines Streiks im August 2008, erheblicher Fluktuation im Bereich der Führungskräfte und vorrangiger Behandlung von Maßnahmen der Krisenbewältigung nicht möglich gewesen sei, die Telefonrechnungen des Bereichs, in dem der Kläger beschäftigt war, zu kontrollieren. Es sei auch nicht möglich, das Diensthandy für den Versand von SMS und/oder die Internetfunktion zu sperren. Auch in anderen Betrieben der Beklagten seien diese Funktionen nicht gesperrt. Der Kläger sei auch nicht erst mit dem von ihm im Oktober 2009 unterzeichneten Schreiben darauf hingewiesen worden, dass er das Mobilfunktelefon nur zu dienstlichen Zwecken nutzen dürfe. Vielmehr habe der Kläger wie alle anderen Arbeitnehmer auch bei jeder Übergabe eines neuen Handys ein Ausgabeprotokoll mit dem Hinweis erhalten, dass Privatnutzung nur über die Twin-Bill-Funktion zulässig sei. Hierbei sei für den Kläger aus der mit dem Schreiben vom 20. September 2006 übersandten Tarifübersicht (Bl. 103 d.A.) auch erkennbar gewesen, dass es gerade keine Flatrate für SMS gebe. Abmahnungserfordernis und/oder Unwirksamkeit der Kündigung könne auch nicht aus unterschiedlicher Behandlung der verschiedenen im Rahmen der Überprüfung auffällig gewordenen Arbeitnehmer gefolgert werden. Die Frage des Abmahnungserfordernisses sei nach objektiven Maßstäben zu beantworten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Kündigungsrecht keine, jedenfalls keine unmittelbare Anwendung. Sie sei bei der Behandlung der im Frühjahr 2010 wegen des Verdachts der Privatnutzung von Firmenhandys auffällig gewordenen Arbeitnehmer auch nicht nach einer selbst gesetzten Regel vorgegangen, sondern habe in jedem Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und die Besonderheiten des Einz...