Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzsicherungsbeiträge. Tarifvertrag Sozialkassenverfahren. Arbeitszeitflexibilisierung im Gerüstbauhandwerk und Insolvenzsicherung
Leitsatz (redaktionell)
Der Insolvenzsicherungsbeitrag ist nicht bei der Arbeitszeitflexibilisierung mit 2-monatigem Ausgleichszeitraum, sondern bei der Arbeitszeitflexibilisierung mit 12-monatigem Ausgleichszeitraum zuzahlen.
Normenkette
VTV-Gerüstbaugewerbe § 9; RTV § 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.08.2012; Aktenzeichen 6 Ca 2465/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 22.08.2012 - 6 Ca 2465/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Insolvenzsicherungsbeiträge nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe zu zahlen.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Gerüstbaugewerbes. Er ist die Einzugsstelle u. a. für die Zahlung der Insolvenzsicherungsbeiträge. Er nimmt die Beklagte auf der Grundlage des allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe vom 20. Januar 1994 in der Fassung vom 11. Juni 2002 (VTV) in ursprünglich zwei getrennten Verfahren, die das Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat, auf Zahlung von Insolvenzsicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 12.400,00 Euro für die Jahre 2008 bis 2010 in Anspruch. Die Klagen sind der Beklagten am 10. bzw. am 18. Oktober 2011 zugestellt worden. Die Höhe der geltend gemachten Insolvenzsicherungsbeiträge ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum einen Betrieb des Gerüstbauhandwerks. Sie vereinbarte mit ihren Arbeitnehmern eine Arbeitszeitflexibilisierung mit folgenden Rahmenbedingungen: Das Volumen des Arbeitszeitmodells ist auf 117 Gutzeitstunden beschränkt. Jeder Arbeitnehmer kann jederzeit verlangen, dass ihm etwaige Gutzeitstunden ausbezahlt werden. Im Arbeitszeitflexibilisierungsmodell der Beklagten ist weder der Anfang noch das Ende eines Ausgleichszeitraums bestimmt, so dass auch eine Abrechnung am Ende eines Ausgleichszeitraums nicht stattfindet. Vielmehr erfolgt der Ausgleich je nach Wunsch des Arbeitnehmers zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt. Die Beklagte zahlt ihren Arbeitnehmern ganzjährig die Vergütung auf der Basis von wöchentlich 39 Stunden bzw. monatlich 169 Stunden.
In § 3 Ziffer 4. des Rahmentarifvertrages für das Gerüstbauerhandwerk vom 27. Juli 1993 in der Fassung vom 11. Juni 2002 (RTV) sind zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ein Arbeitszeitmodell mit zweimonatigem und ein Arbeitszeitmodell mit zwölfmonatigem Ausgleichszeitraum und weiteren Vorgaben geregelt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung der Insolvenzsicherungsbeiträge verpflichtet, da die Beklagte eine Arbeitszeitflexibilisierung nur im Rahmen der tarifvertraglichen Vorgaben durchführen dürfe. Entscheidend sei, dass ein Arbeitszeitkonto geführt werde, auf dem Überstunden über einen längeren Zeitraum angespart werden könnten, was der Regelung des 12-monatigen Ausgleichszeitraums in § 3 Ziff. 4. 3 RTV entspreche. Ein früherer Ausgleich, wie in der Vereinbarung der Beklagten vorgesehen, sei im RTV nicht ausgeschlossen. Auch die Vorarbeit von lediglich 117 Arbeitsstunden sei vom RTV, der mit 150 Stunden eine Höchstanzahl vorgebe, gedeckt. Entscheidend sei, dass dem Arbeitnehmer bei dem Modell der Beklagten die Möglichkeit einer Ansparung von Gutstunden ermöglicht werde. Diese Gutstunden seien im Insolvenzfall nicht abgesichert. Bei der Insolvenzsicherung in Höhe von Euro 50,00 handele es sich um einen Pauschalbetrag, der unabhängig von der Höhe der angesparten Arbeitsstunden und unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Arbeitszeitflexibilisierung im Rahmen des 12-monatigen Ausgleichszeitraums anfalle.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 12.400,00 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht zur Zahlung von Insolvenzsicherungsbeiträgen verpflichtet, da sie ein von § 3 Ziff. 4. 3 RTV abweichendes Arbeitszeitmodell vereinbart habe. Die tarifvertragliche Regelung diene allein der Abwicklung eines Arbeitszeitmodells nach dem RTV mit 150 Gutzeitstunden. Die im Betrieb der Beklagten getroffene Vereinbarung weiche auch hinsichtlich des Ausgleichszeitraums und hinsichtlich der ganzjährigen monatlichen Arbeitszeit von 169 Stunden von den Vorgaben des RTV ab. Das Ausfallrisiko für die Arbeitnehmer sei wesentlich geringer.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 22. August 2012 - 6 Ca 2465/11 - der Klage stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, dem Kläger stünde der Zahlungsanspruch gemäß § 9 Abs. 3 VTV zu. Die Beklagte habe nämlich mit ihren Arbeitnehmern eine Arb...