Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Gesamtzusage zur Anpassung der Betriebsrente gemäß der Tariflohnentwicklung

 

Orientierungssatz

1. Hat der Arbeitgeber den nach einer Betriebsvereinbarung anspruchsberechtigten Arbeitnehmern einer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung schriftlich zugesagt, dass die Anpassung dieser Versorgung jetzt und künftig nach Tarifrecht vorgenommen werden soll und diese Zusage über 25 Jahre eingehalten, und zwar auch gegenüber Arbeitnehmern, an die er das Schreiben nicht adressiert hat, so hat er eine Gesamtzusage getätigt und damit einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Anpassung ihrer Betriebsrente unter Zugrundelegung der für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge begründet. Eine solche Anpassungsvereinbarung stellt keine Abweichung von § 16 BetrAVG zu Ungunsten der Arbeitnehmer dar, da jede Tariflohnerhöhung an die Rentner weiterzugeben ist und damit eine Anpassung regelmäßig häufiger erfolgt, als nach dem in § 16 BetrAVG vorgesehenen 3-Jahres-Zeitraum.

2. Bei der Einführung und Ausgestaltung von betrieblicher Altersversorgung besteht grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; BetrAVG §§ 16, 17 Abs. 3 S. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 03.03.2011; Aktenzeichen 1 Ca 453/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.09.2013; Aktenzeichen 3 AZR 909/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 3. März 2011 – 1 Ca 453/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung anzupassen sind.

Der Kläger hat Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung gemäß der Betriebsvereinbarung Nr. 1 vom 18. Dezember 1959. Hier heißt es:

1.) Mit Zustimmung des engeren Verbandsausschusse wird mit Wirkung vom 1. Oktober 1958 den Betriebsangehörigen, die 10 Jahre ununterbrochen im Dienste des B (CCC) stehen und ihm ihre volle Arbeitskraft ausschließlich zur Verfügung gestellt haben, eine beamtenmäßige Altersund Hinterbliebenenversorgung zugesichert. …

3.) Für die Berechnung der Hundertsätze der Versorgungs- und Hinterbliebenenbezüge und die Feststellung der ruhegeldfähigen Dienstzeit gelten die landesgesetzlichen Bestimmungen.

4.) Die Versorgung wird in der Weise gewährt, dass auf die Sätze einer beamtenmäßigen Altersund Hinterbliebenenversorgung die dem Inhaber dieser Zusage aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen zustehende Renten voll angerechnet werden. Voraussetzung für eine betriebliche Altersversorgung ist also die Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen, wobei die Arbeitgeberanteile in der gleichen Weise wie bisher vom B übernommen werden.

Der Inhaber der Versorgungszusage hat dem B jederzeit die Vollständigkeit seiner Versicherungsunterlagen für die Zeit der Berufstätigkeit sowie für die Ersatz- und Ausfallzeiten nachzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift (Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2010) verwiesen.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 1983 teilte die Beklagte den seinerzeitigen Beziehern einer Betriebsrente (des sog. A-Zuschusses) folgendes mit:

Unsere betriebliche Altersversorgung seit Bestehen unserer betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung sind die Leistungen jeweils der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst worden. Bis zum Jahr 1981 waren die Erhöhungen sowohl nach dem Beamtenrecht, als auch nach dem Tarifrecht für Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes immer einheitlich. Im Jahr 1982 waren dagegen die Anhebungen im Beamtenrecht und im Tarifrecht zeitlich, im Jahr 1983 zeitlich und inhaltlich verschieden.

Aus einer Reihe von Gründen hatten wir uns im Jahr 1982 dazu entschieden, uns grundsätzlich an die Entwicklung des Beamtenversorgungsrechtes anzulehnen. Die Anpassungen der Jahre 1982 und 1983 wurden auch dementsprechend vorgenommen.

Zu dieser Entscheidung gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Dies hat seine Ursache darin, dass in unserer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung wesentliche Elemente sowohl aus dem Beamtenrecht, als auch aus dem Tarifrecht enthalten sind.

Nach sehr eingehenden Überlegungen und Abwägung aller Argumente sind wir zum Ergebnis gekommen, dass die Anpassungen jetzt und künftig nicht nach dem Beamtenrecht, sondern nach dem Tarifrecht vorgenommen werden. Die entsprechende Nachzahlung erhalten Sie mit der Zahlung für den Monat Dezember 1983.

In der Folge erhöhte die Beklagte die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entsprechend den Tariflohnerhöhungen, der für sie geltenden Tarifverträge. Ab dem 1. Januar 1995 waren dies die Tarifvertr...

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