Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Versorgungszusage. Ablösung einer Betriebsvereinbarung. Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber darf bei der Berechnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zwischen Mitarbeitern unterscheiden, die auf falsche Auskünfte des Arbeitgebers in der Vergangenheit vertraut haben und solche, denen kein Vertrauensschutz gewährt wird.
Orientierungssatz
1. Erklärt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, er erhalte eine beamtenähnliche Versorgung, kann diese Aussage dahin gehend zu verstehen sein, dass der Arbeitgeber nur auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung hinweisen wollte. Versorgungszusage. Ablösung einer Betriebsvereinbarung. Gleichbehandlungsgrundsatz.
2. Dienstzeitabhängige Steigerungsraten, die vom Arbeitnehmer noch nicht iS einer unverfallbaren Anwartschaft erdient worden sind, können im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes durch eine ablösende Betriebsvereinbarung zulasten des Arbeitnehmers geändert werden (hier Herausnahme der ab einem bestimmten Zeitpunkt bei der Zusatzversorgungskasse pflichtversicherten Arbeitnehmer).
3. Ein Arbeitnehmer kann sich nicht auf eine abweichende betriebliche Praxis berufen, wenn er nicht zu dem Kreis der Arbeitnehmer zählt, bei dem der Arbeitgeber aus sachlichen Gründen (hier infolge Schadensersatzverpflichtungen wegen unrichtiger Auskünfte) ungekürzte Betriebsrenten zuerkennt.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 1b Abs. 1 S. 1, § 30f Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 6; BetrAVG § 2 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 1b Abs. 1 S. 4; BGB §§ 133, 157, 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 09.07.2008; Aktenzeichen 9 Ca 435/07) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 09.07.08, Az: 9 Ca 435/07 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung.
Der am 09.06.1952 geborene Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) ist seit dem 01.08.1967 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) gemäß Lehrvertrag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage K 1, Bl. 12 d. A.), beschäftigt. Bei der Einstellung des Klägers äußerte der seinerzeitige Personalleiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten, A, dass im Betrieb eine beamtenähnliche Versorgung bestehe.
Zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers im Jahr 1967 galt im Betrieb eine Betriebsvereinbarung über die Versorgung der nichtbeamteten Betriebsangehörigen der B vom 30.12.1957, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Anlage K 4, Bl. 16 d. A.) (im Folgenden: BV 1957). Diese Betriebsvereinbarung sah in § 3 eine Gesamtversorgungsleistung vor, die, aufbauend auf einem Grundbetrag von 35% des maßgeblichen Jahreseinkommens, Erhöhungs- und Steigerungsbeträge bis höchstens 75% eines Jahreseinkommens vorsah. Nach § 2 sollte der Anspruch auf Versorgung entstehen nach einer nach Vollendung des 20. Lebensjahres zurückgelegten Wartezeit von 10 Jahren, wobei ein angefangenes Dienstjahr voll angerechnet wird, wenn mehr als die Hälfte verstrichen ist. In einer Betriebsordnung vom 01.09.1969 (Anlage B 4, Bl. 98 d. A.) ist unter Ziffer 1. d) Folgendes geregelt:
„Die zusätzliche Altersversorgung richtet sich nach der Betriebsvereinbarung über die Versorgung der nichtbeamteten Betriebsangehörigen der B in ihrer jeweiligen Fassung.”
In der Folgezeit kam es zu einer Änderung der BV 1957, wobei das Datum zwischen den Parteien streitig ist. Die Beklagte beruft sich zur Begründung der Änderung auf eine Betriebsvereinbarung vom 27.07.1970, deren vollständige Fassung seitens der Beklagten nicht vorgelegt werden konnte. Diese Änderung wird in einer Ergänzung der Betriebsordnung der B erwähnt (Anlage BK 4, Bl. 248 d. A.). Hierin heißt es:
„Die Betriebsordnung der B nach dem Stand vom 01. September 1969 ist wie folgt zu berichtigen bzw. zu ergänzen:
- Auf Seite 1 der Betriebsordnung muss es zum Schluss jetzt lauten: (Stand vom 01. Juni 1970).
Abschnitt III Ziffer 1 Buchstabe d wird um den folgenden Satz ergänzt:
„Die Betriebsvereinbarung gilt hinsichtlich der Vorschriften über die betriebliche Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht für die bei der Zusatzversorgungskasse Kassel versicherten Betriebsangehörigen, die nach dem 31.12.1966 als Pflichtversicherte in die ZVK eingetreten sind.”
Diese Ergänzung ist datiert „im August 1970”.
Zu dieser – vom Kläger bestrittenen – Änderung legt die Beklagte des Weiteren eine Kopie (Auszug) einer S. 24 vor, in der es unter § 13 heißt (Bl. 80 d. A.):
„Die vorstehenden Vorschriften über die betriebliche Invaliditäts-, Alte...