Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugewerbliche Tätigkeit. Hochfrequenzkabine. Beitragszahlung nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufstellung eines medizinischen Geräts in einem Krankenhaus stellt per se keine baugewerbliche Tätigkeit dar. Allein aus dem Umstand, dass ein Hochfrequenzgehäuse zugleich mit dem medizinischen Gerät verkauft wird, folgt jedoch nicht, dass auch das Gehäuse als Teil des medizinischen Geräts anzusehen ist, insbesondere dann, wenn in der Abnahme zwischen dem Gehäuse und dem eigentlichen medizinischen Gerät unterschieden wird.

2. Der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) stellt lediglich auf eine bestimmte Tätigkeit, nicht aber auf die Zertifizierung des Betriebs oder die Qualifizierung der Arbeitnehmer ab.

 

Normenkette

TVG § 1; VTV § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 4 Ca 3212/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen 10 AZR 720/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 08. Oktober 2009 – 4 Ca 3212/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen und im Rahmen einer Widerklage über einen Beitragsrückzahlungsanspruch der Beklagten.

Die Klägerin ist die A.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte in ursprünglich vier getrennten Verfahren, die vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden sind, auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auf Zahlung von Beiträgen entsprechend den Beitragsmeldungen der Beklagten für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Januar 2008 bis Mai 2008 und September 2008 bis April 2009 sowie auf Zahlung von Festbeiträgen für Angestellte für den Zeitraum Februar 2008 bis Mai 2008 sowie September 2008 bis April 2009 in Anspruch.

Die Beklagte betreibt als Einzelunternehmerin mit Sitz in B. einen Gewerbebetrieb, welcher im Gewerberegister der Gemeinde B. bis März 2008 mit der Tätigkeit „Einbau von genormten Baufertigteilen, Bodenleger” eingetragen war (Blatt 34/35 d. A.). Bis einschließlich November 2007 nahm die Beklagte am Sozialkassenverfahren teil und zahlte an die Klägerin für den Zeitraum Januar 2007 bis November 2007 abzüglich eines Erstattungsbetrages Beiträge in der Gesamthöhe von Euro 5.808,16. Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem mit, dass der Betrieb im Installations- und Montagebereich von Kernspintomographen und Röntgengeräten tätig und deshalb das Mitgliedskonto zu schließen sei (Blatt 31 d. A.). Mit Schreiben vom 22. April 2008 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass der Betrieb seit Januar 2007 nur noch auf Installationen von medizinischen Geräten (MRT, CT, OP) und Industriemontagen für den Forschungsbereich spezialisiert sei (Blatt 33 d. A.). Im März 2008 meldete die Beklagte ihre Tätigkeit beim Gewerberegister um mit „Installation von medizinischen Geräten (Einbau)” (Blatt 34 d. A.).

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Abschirmkabinen für die Firma C. montiert wurden, in denen Kernspintomographen aufgestellt werden. Im Kalenderjahr 2007 entfielen von insgesamt 640 Montagetagen 480 Montagetage und im Kalenderjahr 2008 von 830 Montagetagen 450 Montagetage auf die Montage dieser Kabinen. Tomograph und Kabine werden immer zusammen bestellt und verkauft. Im Rahmen der Diagnostik mit Kernspintomographen muss der Magnet vor sämtlichen Störfaktoren sicher abgeschirmt werden. Neben den Störungen durch Radio- und Funkwellen sowie elektromagnetische Verbraucher können auch bewegte Massen wie etwa Fahrzeuge oder Aufzüge im weiteren Umfeld des Installationsortes das Magnetfeld beeinflussen. Durch den Einsatz von Hochfrequenzkabinen können diese Störquellen ausgeschlossen werden. Alle Bauteile der Hochfrequenzkabinen wie Wände, Decken und Böden werden komplett vorgefertigt. Sie bestehen aus Aluminium, verzinktem Stahlblech oder Kupfer. Die Einbringung und Montage dieser Bauteile erfolgt durch die Arbeitnehmer der Beklagten in einem Zeitraum von 10 bis 12 Tagen nahezu schmutzfrei, wobei die Montage von zwei qualifizierten Monteuren durchgeführt wird. Die Bauteile werden vor Ort so miteinander verbunden, dass eine Verbindung zwischen ihnen entsteht, die bewirkt, dass sämtliche Teile untereinander leiten und ein Faradayischer Käfig entsteht. In diesem Faradayischen Käfig befindet sich der Kernspintomograph. Die Kabine ist freitragend und wird auf Teichfolie installiert, damit keine Verb...

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