Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung und sexuelle Belästigung. Sexuelle Zudringlichkeiten eines Vorgesetzten. Verbale sexuelle Bedrängungen
Leitsatz (redaktionell)
Die sexuelle Belästigung von Arbeitnehmerinnen an ihrem Arbeitsplatz durch Arbeitskollegen ist ein an sich geeigneter Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; AGG § 3 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 14.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 243/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 14.12.2012 - 4 Ca 243/12 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund fristloser außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung aufgelöst wurde, über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und für den Fall des Obsiegens über die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der im Jahr 1977 geborene Kläger, welcher verheiratet und 3 Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, war bei der Beklagten seit dem 11. November 1996 beschäftigt. Er war zunächst als Küchenhilfe und seit Januar 2002 als Crew-Trainer tätig. Im Juli 2002 wurde er in das Angestelltenverhältnis übernommen und zum Schichtführer ernannt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger fast durchgängig im Restaurant der Beklagten im A. in B. eingesetzt. Im Januar 2003 wurde der Kläger zum Assistenten des Restaurantleiters im A. ernannt. Ab März 2005 bekleidete der Kläger die Position des stellvertretenden Restaurantleiters (erster Assistent) im Restaurant der Beklagten in C.. Seit Januar 2007 war der Kläger Leiter im Restaurant der Beklagten im A., wobei ab Mai 2010 die Vergütung des Klägers angehoben und dem Kläger eine Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt wurde. Im November 2011 wurde dem Kläger die Leitung des Restaurants der Beklagte in Reiskirchen übertragen. Der Kläger verdiente zuletzt monatlich € 3.500,00 brutto.
Die Beklagte betreibt im Raum B. als Franchisenehmerin mehrere D. Restaurants. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit.
Im Rahmen eines Gesprächs vom 16. Mai 2012, an welchem unter anderem der Geschäftsführer der Beklagten teilnahm, wurde der Kläger mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe die Arbeitnehmerinnen E. und F. (im Folgenden: F.) verbal und physisch sexuell belästigt. Wegen des Inhalts des von der Beklagten insoweit gefertigten Protokolls wird auf die Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2012 (Bl. 35 bis Bl. 37 d. A,) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2012 (Bl. 4 d. A.), welches dem Kläger am selben Tag übergeben wurde, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich verhaltensbedingt.
Mit seiner am 31. Mai 2012 bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am 02. Juni 2012 zugestellten Klageschrift hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses begehrt. Mit Schriftsatz vom 31. August 2012 hat der Kläger die Klage erweitert um einen Zeugnis- und einen Weiterbeschäftigungsantrag; nachdem die Beklagte dem Kläger ein Schlusszeugnis erteilt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat bestritten, Arbeitnehmerinnen verbal oder physisch sexual belästigt zu haben. Er hat behauptet, etwaige Berührungen seien der räumlichen Enge und der Hektik in den Restaurants geschuldet. Er sei von keiner Arbeitnehmerin und auch von keinem Vorgesetzten jemals auf entsprechende Vorwürfe angesprochen worden. Der Kläger hat bestritten, dass die zur Akte gereichte Gesprächsnotiz vom 14. Februar 2007 (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2012, Bl. 23 d. A.) an diesem Tag angefertigt worden sei. Inhaltlich sei sie unzutreffend, da es Anfang 2007 lediglich 2 Gespräche mit der Zeugin G. gegeben habe, die sich mit allgemeinen Beschwerden von Mitarbeiterinnen befasst hätten. Der Kläger hat bestritten, dass die Zeugin F. Vorwürfe gegen ihn erhoben habe, und behauptet, etwaige Anschuldigungen der Zeugin F. seien falsch. Diese Zeugin räche sich dafür, dass der Kläger nach Auffinden eines 1 Eurostückes an der Kasse der Zeugin bei der Geschäftsleitung eine Kassenprüfung empfohlen habe. Auch habe er diese Zeugin darauf angesprochen, dass es untersagt sei, ein Smartphone im Dienst zu benutzen, auf welchem diese Zeugin Fotos als Model in aufreizenden Posen gezeigt habe. Wie der Kläger nunmehr erfahren habe, existierten diese Fotos auch im Internet. Die Zeugin F. habe sich in der Folgezeit über sein Verbot lustig gemacht und gesagt, alle könnten ihre Bilder auf ihrer Website sehen. Darauf habe der Kläger ein Gespräch mit der Zeugin geführt und mit dem Arbeitsplatzverlust gedroht, wenn die ...