Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweistufige Verfallklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Problematik der zweistufigen tariflichen Verfallklausel hinsichtlich solcher Vergütungsansprüche i. S. des § 615 S. 1 BGB, die ihrerseits vom Aus gang eines vorhergehenden Kündigungsrechtsstreits abhängen

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 13.06.1985; Aktenzeichen 1 Ca 32/85)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 13.6.1985 – Az.: 1 Ca 32/85 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit Febr. 1983 bei der Beklagten als Installateur beschäftigt; sein Stundenlohn belief sich zuletzt auf 12,90 DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die tariflichen Vorschriften für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte des Gas- und Wasserinstallateur-, Klempner-, Kupferschmiede-, Zentralheizungs- und Lüftungsbau-Handwerks in Hessen i.d. F. ab 1.7.1978 (= MTV) Anwendung.

Ende Aug./Anfang Sept. 1984 kam es zwischen den Parteien zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung des Klägers vom 21.8.1984 aufgelöst worden sei, was die Beklagte zuvor behauptet hatte (Az.: 1 Ca 297/84 des ArbG Hanau). Diese vom Kläger erhobene Feststellungsklage wurde durch ein – später in Rechtskraft erwachsenes – Urteil vom 17.1.1985 abgewiesen, weil das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangte, daß der Kläger sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten in der Tat am 21.8.1984 aufgekündigt hatte; allerdings wies das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen jenes Urteils darauf hin, daß eine fristlose Kündigung des Klägers nicht erwiesen, vielmehr von einer ordentlichen Kündigung auszugehen sei. Die tarifliche Kündigungsfrist betrug damals – gemäß dem eingangs erwähnten Manteltarifwerk – nach einer mehr als einjährigen Betriebszugehörigkeit zwei Wochen zum Ende der Lohn- oder Kalenderwoche. Ferner wurde vom Arbeitsgericht im unstreitigen Tatbestand jenes Urteils erwähnt, daß der Kläger am 22.8.1984 wieder zur Arbeit auf der Baustelle erschienen, aber von der Beklagten nicht mehr beschäftigt worden sei.

Mit der vorliegenden, am 20.2.1985 zugestellten Zahlungsklage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung seines – rechnerisch unstreitigen – Lohnes für die Zeit vom 23.8. bis zum 9.9.1984 (= 96 Arbeitsstunden à 12,90 DM brutto) in Anspruch, da er ab dem 10.9.1984 eine andere Arbeitsstelle gefunden habe.

Der Kläger hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.238,40 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zunächst in Abrede gestellt, daß ihr der Kläger am 22.8.1984 seine Arbeitsleistung für den vorerwähnten Zeitraum angeboten habe. Ferner hat sie auf die hier einschlägigen tariflichen Aus Schluß fristen verwiesen, wonach die Klageforderung verfallen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 13.6.1985 verkündeten Urteil dem Klagebegehren entsprochen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe mindestens bis zum 9.9.1984 fortbestanden, da der Kläger – ausweislich des Urteils im Vorprozeß – keine fristlose Kündigung erklärt habe und auch am 22.8.1984 wieder zur Arbeit erschienen sei. Ebenso wenig sei die Klageforderung infolge Ablaufs tariflicher Ausschlußfristen wieder erloschen, wie sich bei sachgerechter Auslegung des einschlägigen Tarifwerks letztlich ergebe. Es sei nämlich davon auszugehen, daß der Kläger die erste Stufe der hier maßgebenden Verfallklausel (= schriftliche Geltendmachung binnen drei Monaten seit Fälligkeit) nach der insoweit durchaus zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit der von ihm erhobenen Feststellungsklage gewahrt habe; diese spezielle Wirkung der Kündigungsschutz- bzw. Feststellungsklage müsse sich aber – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – aus grundsätzlichen Erwägungen auch auf eine etwa vorgesehene zweite Stufe der Verfallklausel (= gerichtliche Geltendmachung binnen drei Monaten seit Ablehnung) – wie hier – erstrecken. Wegen aller sonstigen Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird in vollem Umfange auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe (Bl. 13-21 d.A.) Bezug genommen.

Gegen diese, ihr am 24.7.1985 zugestellte erstinstanzliche Entscheidung hat die Beklagte mit einem am 29.7.1985 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel zugleich im einzelnen begründet. Darin macht die Beklagte weiterhin geltend, die etwaigen Lohnzahlungsansprüche des Klägers seien nach § 28 Ziff. 5 des hier maßgebenden MTV verfallen. Aus ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 1.10.1984 im Vorprozeß lasse sich zweifelsfrei entnehmen, daß sie eine Abweisung der Feststellungsklage erstrebt habe, auch wenn dies damals nicht ausdrücklich beantragt worden sei. Letzteres...

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