Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Rechtsfolgen der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2003 hinsichtlich einer Betriebsrente
Leitsatz (amtlich)
Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275 c SGB 6 zwingt nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung (Abweichung von BAG v. 21.04.2009 - 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08). Es handelt sich um einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage. Nur bei Unzumutbarkeit der Folgen kann eine Anpassung verlangt werde.
Normenkette
SGB VI §§ 159, 275c; BGB §§ 157, 313
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 04.08.2011; Aktenzeichen 8 Ca 121/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. Mai 2011 - 8 Ca 121/11 - abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der "außerordentlichen" Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) zum 1. Januar 2003 über die Berechnung der Betriebsrente des Klägers.
Der Kläger war vom 1. April 1969 bis 31.1.2008 bei der Beklagten angestellt, zuletzt in Altersteilzeit. Die Beklagte hatte dem Kläger Versorgung nach den "Richtlinien 1994 für die Alters -, Invaliden - und Hinterbliebenenversorgung für Mitarbeiter der A, Darmstadt" (im Folgenden: "A Richtlinien") zugesagt.
Die "A Richtlinien" enthalten hinsichtlich der Höhe der Rente folgende Bestimmung:
"12 Höhe
Die Höhe der monatlichen Alters- oder Invaliden Rente beträgt
a) für Bezüge bis zur Beitragsbemessungsgrenze für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr 0,5 v.H.
b) für Bezüge über der Beitragsbemessungsgrenze für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr 1,5 v.H des anrechnungsfähigen Einkommens.
Als Beitragsbemessungsgrenze gilt jeweils die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebender Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 159 SGB 6).
..."
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der "A Richtlinien" wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.6.2011 verwiesen (Blatt 61 bis 71 d.A.).
Gemäß § 3 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über die maßgebenden Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 vom 17. September 2002 war die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellte für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,00 EUR jährlich und 4.600,00 EUR monatlich festgesetzt worden. Durch Artikel 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 wurde § 275 c SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 EUR jährlich und 5.100,00 EUR monatlich fest. Zudem wurden die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 um 500,00 EUR im Ergebnis auch für die folgenden Jahre bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnung gemäß § 160 SGB VI auswirkt und auswirkte. Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2008 beträgt 5.300,00 EUR monatlich (63.600,00 EUR jährlich).
Seit 1. Februar 2008 erhält der Kläger gesetzliche Rente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 2.382,10 EUR brutto, die sie zum 1.7.2010 um3,5% auf 2.465,47 EUR erhöhte.
Das letzte auf Vollzeit hochgerechnete Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug 8.080,00 EUR.
Die Beklagte berechnete die Betriebsrente nach der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2008. Ohne die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 wäre die Betriebsrente des Klägers bis Juni 2010 um 174,63 EUR monatlich höher und ab Juli 2010 um 180,75 €. Infolge der aus der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze resultierenden erhöhten Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöht sich die gesetzliche Altersrente des Klägers um 9,07 EUR monatlich.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe eine höhere Betriebsrente zu. Die Pensionsordnung enthalte eine gespaltene Rentenformel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG Urteile vom 21. April 2009 - 3 AZR 695/08 und 3 AZR 471/07). Die Versorgungsordnung sei durch die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00 EUR im Jahre 2003 lückenhaft geworden und entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan zu ergänzen. Bei der Berechnung der Betriebsrente sei die Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung der außerplanmäßigen Anhebung ergebe. Unter Anrechnung der höheren gesetzlichen Rente aufgrund der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze...