Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlung von Nichteinsatzzeiten eines Arbeitnehmers nach dem Manteltarifvertrag Zeitarbeit vom 22.07.2003
Leitsatz (amtlich)
Der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) - vormals Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) - und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit vom 22. Juli 2003 berechtigt den Arbeitgeber nicht, verleihfreie Zeiten (Nichteinsatzzeiten) einseitig als Abzugsposition im Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers zu verbuchen. Diese Zeiten sind keine “Minusstunden„ im Sinne des MTV. Der Arbeitgeber kann die verleihfreie Zeit auch nicht einseitig zur Nichtarbeitszeit (Freizeit) machen.
Normenkette
AÜG § 11 Abs. 4 S. 1; BGB § 615 S. 1, § 134
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.10.2015; Aktenzeichen 9 Ca 2868/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2015 - Aktenzeichen 9 Ca 2868/15 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für Oktober 2014 50,22 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug im Zusammenhang mit verleihfreien Zeiten über die Berechtigung der Beklagten zum Abzug von Stunden vom Arbeitszeitkonto der Klägerin.
Die Beklagte ist ein Zeitarbeitsunternehmen, das seinen Kunden (Entleihern) auf der Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) Mitarbeiter auf Zeit überlässt.
Die am xx.xx 1975 geborene und unverheiratete Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 16. Februar 2008 auf Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrages vom 13. Januar 2009 (Bl. 8 - 12 d.A.) als kaufmännische Sachbearbeiterin beschäftigt. Unter Ziffer 4 des Anstellungsvertrages ist eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich Pausen von 35 Stunden bzw. als monatliche Arbeitszeit 151,67 Stunden vereinbart. Auszugsweise ist des Weiteren im Arbeitsvertrag geregelt:
6. Arbeitszeitkonten
Die tatsächliche Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes.
Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach Punkt 4 vereinbarten Arbeitszeit und der tatsächlichen Arbeitszeit wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Einzelheiten regelt der Manteltarifvertrag.
17. Tarifvertrag
Im Übrigen gelten die von dem BZA (Bundesverband Zeitarbeit) mit dem DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG und zwar
- Manteltarifvertrag
- Entgeltrahmentarifvertrag
- Entgelttarifvertrag
19. Ausschlussfristen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit (bei Ausscheiden ein Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) schriftlich geltend zu machen.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.
Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.
Der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) - vormals Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) - und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB - IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau, EVG, GdP - abgeschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit vom 22. Juli 2003 (im Folgenden: MTV), geändert durch Änderungstarifvertrag vom 17. September 2013 (Bl. 63 - 82 d.A.), hat unter anderem folgende Regelungen:
§ 4 VERTEILUNG DER ARBEITSZEIT/FLEXIBILISIERUNG
§ 4.1 Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes.
Umkleiden, Waschen sowie Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (z. B. Frühstücks-, Mittags-, Kaffeepausen) gelten nicht als Arbeitszeit, es sei denn, für die Arbeitnehmer im Entleihbetrieb gelten abweichende Regelungen.
§ 4.2 Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach § 2 / § 3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.
§ 4.3 Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden.
Das Arbeitszeitkonto darf max. 200 Plus...