Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung deutschen Rechts auf Kündigung eines indischen Flugbegleiters. Kein Kündigungsschutzverfahren nach indischem Recht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Deutsche Gesetzlichkeiten sind für die Kündigung eines indischen Staatsbürgers nicht einschlägig. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung.

2. Das indische Recht kennt keine Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, sondern spricht lediglich Schadensersatzansprüche zu.

 

Normenkette

EGBGB Art. 27 Abs. 1 a.F., Art. 30 Abs. 1 a.F., Abs. 2 Nr. 1 a.F., Nr. 2 a.F., Art. 34; EuVtrÜbk Art. 6 Abs. 2a; EGV 593/2008 Art. 8 Abs. 2 S. 1, Art. 9 Abs. 1; KSchG § 1; BGB §§ 626, 174; TV PV Nr. 2 § 102; BetrVG § 102 Abs. 1; BEE § 18 Abs. 1 S. 3; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.05.2018; Aktenzeichen 16 Ca 6411/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Mai 2018 – 16 Ca 6411/17 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin über die Wirksamkeit einer Kündigung und über das Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers.

Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Deutschland. Der Kläger war bei ihr seit dem 10. März 1996 als Flugbegleiter mit der Heimatbasis Delhi (Indien) beschäftigt. Er ist indischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Indien, wo er mit seiner Familie auch seinen Lebensmittelpunkt hat. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien in Delhi abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 8. Februar 1996 („Working contract“, Anl. B 17, Bl. 134 f. d. A.). In § 2 des Arbeitsvertrags war u.a. vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis indisches Recht sowie die Beschäftigungsbedingungen für regionale Flugbegleiter in Indien Anwendung finden.

Mit Schreiben der Personalabteilung in Delhi vom 24. Januar 2017 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung aus verhaltensbedingten Gründen suspendiert. Im Anschluss daran führte die Personalabteilung Delhi eine nach indischem Recht vorgeschriebene Untersuchung („ Domestic Enquiry ") durch, die mit einem Bericht, dem sog. „Enquiry Report" vom 10. Juni 2017 (Anlage B 8, Bl. 117 ff. d. A.), abgeschlossen wurde.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23. August 2017, das dem Kläger am 25. August 2017 zuging, das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger wies die Kündigung mit Schreiben vom 31. August 2017 „gem. § 174 BGB mangels entsprechender Bevollmächtigung zurück“.

Der Kläger hat sich gegen die Kündigung mit seiner am 15. September 2017 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 25. September 2017 zugestellten Klage gewandt. Er hat gemeint, auf sein Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar, und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 23. August 2017, ihm zugegangen am 25. August 2017, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände insbesondere weitere Kündigungen aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Führung und Leistung erstreckt;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren indischen Recht aufgrund von Pflichtverstößen des Klägers wirksam.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 22. Mai 2018 - 16 Ca 6411/17 - unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. August 2017 nicht aufgelöst worden sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 23. August 2017 sei gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG unwirksam. Denn der Kläger habe sich infolge seine Antrags vom 1. Juni 2017 gemäß den §§ 15, 16 BEEG ab dem 28. Juli 2017 bis zum 8. Oktober 2018 in Elternzeit befunden. Dabei könne dahinstehen, ob grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrags indisches Recht oder aber deutsches Recht Anwendung finde. Denn die §§ 15, 16 und 18 BEEG fänden auf das Arbeitsverhältnis jedenfalls Anwendung, da es sich bei ihnen um Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom 1-VO handele. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 7. Juni 2018 zugestellte Urteil hat diese mit am 20. Juni 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge