Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmöglichkeit der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers nach Umstrukturierungsmaßnahmen. Lehre vom Betriebsrisiko
Leitsatz (amtlich)
1.Zum Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nach einer unwirksamen arbeitgeberseitigen Kündigung und Umstrukturierungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die zur Leistungsunmöglichkeit für den Arbeitnehmer führen
2.Zum Verhältnis des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB n. F. zu § 615 Satz 3 BGB n. F.
Normenkette
BGB § 324 Abs. 1, § 326 Abs. 2 S. 1 n. F
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 13.05.2003; Aktenzeichen 8 Ca 245/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 13. Mai 2003 – 8 Ca 245/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte handelnd als Prozeßstandschafterin für die Vereinigten Staaten von Amerika auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach einer unwirksamen Kündigung in Anspruch.
Der Kläger ist 54 Jahre alt und hat seit dem 03. April 1982 ein Arbeitsverhältnis mit den US-Streitkräften. Er war dort als Reprofotograf/Plattenmacher beschäftigt. Kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme ist die Anwendung des Tarifvertrages AL II vom 16. Dezember 1966 in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Zuletzt erfolgte eine Eingruppierung des Klägers in der Lohngruppe G 7.
Am 26. April 2000 haben die US-Streitkräfte eine Kündigung ausgesprochen, die zum 30. November 2000 wirken sollte. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage sowie Klage auf Weiterbeschäftigung beim Arbeitsgericht in Darmstadt erhoben. Das Arbeitsgericht in Darmstadt hat mit einem Urteil vom 6. Februar 2001 – 8 Ca 223/00 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der US-Streitkräfte vom 26. April 2000 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Plattenmacher in der Lohngruppe G 7/Endstufe in der Dienststelle der … weiter zu beschäftigen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit einem Urteil vom 15. Januar 2002 – 15 Sa 681/01 – die Klage auf Weiterbeschäftigung abgewiesen und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Sowohl auf das Urteil des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 06. Februar 2001 (Bl. 273–282 d.A. – 8 Ca 223/00) als auch auf das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Januar 2002 (Bl. 310–317 d.A. – 8 Ca 223/00/15 Sa 681/01) wird Bezug genommen.
Die monatliche Vergütung des Klägers für die Zeit vom 01. Dezember 2000 bis zum 31. Mai 2001 hat jeweils EUR 4.218,48 (DM 8.250,67) und für die Zeit ab dem 01. Juni 2001 bis einschließlich 30. April 2003 jeweils EUR 4.324,39 (DM 8.457,79) betragen. Hinzu wäre die Zahlung des Urlaubsgeldes für das Jahr 2001 in Höhe von EUR 635,54 (DM 1.243,02), die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2001 in Höhe von EUR 1958,88 (DM 3.831,26) und die Zahlung eines Urlaubsgeldes für das Jahr 2000 in Höhe von EUR 613,39 (DM 1.199,70) gekommen. Damit beläuft sich das vom Kläger geforderte Arbeitsentgelt zum 30. April 2003 auf insgesamt EUR 127.980,01 brutto.
Der Kläger ist seit dem 01. Dezember 2000 arbeitslos und hat im Zeitraum vom 01. Dezember 2000 bis zum 30. April 2003 Arbeitslosengeldzahlungen in Höhe von EUR 43.675,19 netto erhalten.
Bei den US-Streitkräften ist es zu Umstrukturierungsmaßnahmen gekommen, die auch zur Folge hatten, dass die Tätigkeit des Klägers als Reprofotograf entfallen ist. Die US-Streitkräfte können die Arbeitsleistungen des Klägers als Reprofotograf nicht annehmen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die von ihm geltend gemachten Ansprüche sich aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gem. § 615 Satz 1 BGB ergeben würden. Auch stamme die Entscheidung, die Tätigkeit des Klägers als Reprofotograf entfallen zu lassen ausschließlich aus der Sphäre der Beklagten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 127.980,01 brutto abzüglich EUR 43.675,79 netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung des Klägers als Reprofotograf der Tatbestand des § 275 BGB i.V.m. § 323 BGB verwirklicht sei. Das Hessische Landesarbeitsgericht habe auch in seinem Urteil vom 15. Januar 2002 zu Recht festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Beschäftigung als Plattenmacher mit voller Arbeitszeit und bisheriger Entlohnung habe.
Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass von der früheren Tätigkeit als Reproduktionsfotograf die Teil-Tätigkeit als Plattenmacher mit einem sehr geringen Zeitaufwand, nämlich eine Stunde werktäglich, übrig geblieben sei.
Das Arbeitsgericht in Darmstadt hat mit einem am 13. Mai 2003 verkündeten, der Beklagten am 10. Juni 2003 zugestellten Urteil – 8 Ca 245/02 – der Klage stattgegeben. Wegen des Inhalts dieses Urteils wird auf Bl. 46–54 d.A. Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 09. Juli 2003 Berufung eingelegt u...