Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeitkonto. Insolvenzsicherung. Sozialkassenverfahren. Absicherung der Insolvenzsicherung durch VtV-Gerüstbau
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erfüllung der Meldepflichten und die Zahlung der Sozialkassenbeiträge hängt nicht mit der Pflicht zusammen, zusätzlich eine jährliche Insolvenzsicherung von 50,00 € pro Arbeitnehmer zu leisten, wenn mit diesem Arbeitnehmer eine Flexibilisierung der Arbeitszeit nach § 3 Ziff. 4.3. RTV-Gerüstbau vereinbart wurde.
2. Nach § 9 Abs. 3 VTV-Gerüstbau hat der Arbeitgeber daneben jährlich zur Absicherung des Insolvenzrisikos bis zum 15. des Folgemonats, der auf den Beginn des Ausgleichszeitraums folgt, einen Betrag von 50 € pro Arbeitnehmer, mit dem eine Flexibilisierung der Arbeitszeit vereinbart wurde, an die Kasse zu entrichten.
Normenkette
VTV-Gerüstbau § 9 Abs. 3; TVG § 5 Abs. 4; RTV-Gerüstbau § 3 Ziff. 4.3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 28.04.2011; Aktenzeichen 9/10 Ca 271/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. April 2011- 9/10 Ca 271/10 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Insolvenzsicherung, die Beklagte verlangt widerklagend die Zahlung von Erstattungsansprüchen und Guthaben aus dem Sozialkassenverfahren des Gerüstbaugewerbes.
Die klagende Sozialkasse ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Gerüstbaugewerbes in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins die Einzugsstelle für die Beiträge für Urlaub, Lohnausgleich, Berufsbildung, Überbrückungsgeld und Zusatzversorgung sowie von Zahlungen für Insolvenzsicherung.
Die Beklagte unterhält in A bei B einen Betrieb des Gerüstbauerhandwerks. Sie vereinbarte in den Jahren 2006 bis 2008 mit Arbeitnehmern eine Flexibilisierung der Arbeitszeit mit zwölfmonatigem Ausgleichszeitraum gemäß § 3 Ziff. 4.3 des Rahmentarifvertrages für das Gerüstbauerhandwerk (folgend: RTV-Gerüstbau).
Der Kläger nimmt die Beklagte auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe vom 20. Januar 1994 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Juni 2002 (folgend: VTV-Gerüstbau) auf einen Betrag von 50,00 € zu Absicherung des Insolvenzrisikos wegen der Arbeitszeitflexibilisierung nach § 3 Ziff. 4.3 RTV-Gerüstbau pro Arbeitnehmer in Anspruch. Der Forderung ist eine Betriebsprüfung durch den Kläger am 26./27. August 2009 für die Zeitspanne von 01. Januar 2006 bis 30. Juni 2009 vorausgegangen.
Der Kläger fordert in diesem Rechtsstreit nur 615,35 € für das Jahr 2008. Der geltend gemachte Anspruch gemäß § 9 Abs. 3 VTV-Gerüstbau geht von 13 Arbeitnehmern aus, mit welchen die Beklagte 2008 unstreitig eine Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart hatte. Die Reduzierung von 650,00 € auf 615,35 € beruht auf der Verrechnung mit Erstattungs- und Guthabenansprüchen der Beklagten. Für die Jahre 2006 und 2007, in denen die Beklagte nach Ansicht des Klägers ebenfalls Beträge zur Insolvenzsicherung nach § 9 Abs. 3 VTV-Gerüstbau leisten musste, fordert der Kläger nichts. Er geht davon aus, seine vorgerichtlich noch geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 600,00 € (2006, 12 Arbeitnehmer) und 650,00 € (2007, 13 Arbeitnehmer) seien durch Verrechnung erloschen.
Die Beklagte hat vorgerichtlich mit Schreiben vom 04. Dezember 2009 wegen der Insolvenzsicherungsbeträge für das Jahr 2006 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet (vgl. Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 29. Februar 2012; Bl. 182 d.A.).
Die Beklagte fordert widerklagend 1.456,83 €. Sie hat die Auffassung vertreten, möglichen Ansprüchen des Klägers stehe ein Erfüllungseinwand nach §§ 14 Abs.1 Unterabs. 2, 15 Abs. 5 VTV-Gerüstbau entgegen. Außerdem sei eine Forderung der Insolvenzbeträge treuwidrig nach § 242 BGB. Dazu hat sie behauptet, der Kläger habe 2006 ihren Betrieb für 2005 geprüft. Sie habe 2005 schon eine Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart gehabt, sei aber vom Kläger bewusst nicht auf § 9 Abs. 3 VTV-Gerüstbau hingewiesen worden. Sie könne daher die Auszahlung ihrer Erstattungsansprüche und Guthaben statt deren Verrechnung verlangen. Die Beklagte hat außerdem wegen der nach Ansicht des Klägers für das Jahr 2006 angefallenen Insolvenzsicherung die Einrede der Verjährung erhoben. Wegen der Zusammensetzung des mit der Widerklage geltend gemachten Betrags wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05. Januar 2011, S. 4 f. (Bl. 104 f. d.A.) verwiesen.
Die Beklagte war in dem auf den 17. März 2011 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden angesetzten Kammertermin säumig, so dass gegen sie ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil erging (Bl. 112 d.A.).
Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch der Beklagten ist durch das Arbeitsgericht auf die Verhandlung vom 28. April 2011 ein Urteil ergangen. Zur Widergabe der am 28. April 2011 von den Parteien gestellten Anträge wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 123 d.A.).
Das Arb...