Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Regelung über den fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages
Leitsatz (amtlich)
Die Auslegung eines Tarifvertrages kann ergeben, daß sich dessen fachlicher Geltungsbereich im Falle einer Betriebseinstellung nach Konkurseröffnung mit Fortführung von Abwicklungsarbeiten nach dem bisherigen, überwiegend verfolgten Betriebszweck richtet.
Normenkette
TVG § 4I
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 23.01.1985; Aktenzeichen 3 Ca 4960/84) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Wiesbaden vom23.01.1985 (Az.: 3 Ca 4960/84) wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist die tarifliche Einzugstelle der Sozialkassen der Bauwirtschaft.
Der Gemeinschuldner unterhielt bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 19.4.1984 einen Betrieb des Betonsteingewerbes. Der Beklagte ist der Konkursverwalter.
Ab 19.4.1984 wurden 14 gewerbliche Arbeitnehmer und 4 Angestellte freigestellt und erhielten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Arbeitsentgelt. Zwei gewerbliche Arbeitnehmer und vier Angestellte wurden vom Beklagten weiterbeschäftigt und mit Abwicklungsarbeiten betraut. Ende November 1984 waren noch ein gewerblicher Arbeitnehmer und ein Angestellter mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt. Hierzu gehörten Aufräumungsarbeiten, Abverkauf der bei Konkurseröffnung vorhandenen Vorräte, Verkauf von Grundstückszubehören, Einziehung von Außenständen und Restbuchhaltungsarbeiten.
Mit der Klage verlangt der Kläger vom Beklagten Auskunft nach Maßgabe des Tarifvertrages über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für gewerbliche Arbeitnehmer und für Angestellte des Betonsteingewerbes Nordwestdeutschlands vom 12.11.1975 in der jeweils gültigen, für allgemeinverbindlich erklärten Fassung,
Er hat vorgetragen, die Tätigkeiten, die nach Eröffnung des Konkursverfahrens durchgeführt worden seien, seien als baugewerbliche Leistung i. S. der Tarifverträge zu werten, so daß von einer Weiterführung des Betriebes auszugehen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
April, Mai, Juni, Juli, August, September 1984
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
1.2 wieviel Angestellte in den Monaten
April, Mai, Juni, Juli, August, September 1984
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden und in welcher Höhe Beiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind
2. Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
Zu Nr. 1.1 3.000,00 DM
Zu Nr. 1.2 285,60 DM
Gesamtbetrag 3.285,60 DM
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung vollständig eingestellt gewesen. Er unterhalte als Konkursverwalter daher keinen Baubetrieb. Daß Abwicklungsarbeiten durchgeführt würden, die sich z.T. auf die vor Konkurseröffnung erbrachten baugewerblichen Leistungen bezögen, bedeute keine Betriebsfortführung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Abwicklungsarbeiten in einem engen betrieblichen Zusammenhang mit den Tätigkeiten ständen, die den eigentlichen Betriebszweck ausmachten, so daß sie daher diesen gleichgestellt werden müßten.
Gegen dieses ihm am 15.2.1985 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.2.1985 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Er ist der Auffassung, die Abwicklungsarbeiten dürften sich nicht am ehemaligen Betriebszweck orientieren. Die ursprüngliche Ausrichtung des Betriebes auf Gewinnerzielung sei weggefallen. Der Betrieb werde nicht erhalten, sondern zerschlagen. Außerdem könne es keinen Unterschied machen, ob er als Konkursverwalter Arbeitnehmer des Betriebes als Hilfskräfte zur Abwicklung einsetze, oder eigenes Personal.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und führt aus, es könne während einer Liquidation, die durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen könne, kein tariffreier Raum entstehen.
Zur Ergänzung des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsschrift und die Berufungserwiderung verwiesen.
Entschei...