Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der tarifvertraglich geregelten Pauschale zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit und des Erholungsurlaubs. Mitwirkung des Betriebsrats bei der Entscheidung über die Einreihung eines Arbeitnehmers in das Vergütungssystem der Sondergehaltsbestimmungen der US-Stationierungstreitkräfte. Begriff der Ein- bzw. Höhergruppierung i.S. von § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine typisierende Betrachtung aus Sicht der betroffenen Kreise ist nicht nur für die Beurteilung des Wegfalls des Vertrauensschutzes, sondern auch für die Beurteilung der Entstehung des Vertrauensschutzes für bereits entstandene und fällig gewordene, noch nicht abgewickelte aus einer Tarifnorm folgende Ansprüche maßgebend.
2. Die Vertrauensbildung in die Geltung einer Tarifnorm wird erst blockiert, wenn die Tariflage so unklar und verworren ist, dass eine Klärung erwartet werden muss, oder wenn das bisherige Tarifrecht in einem Maße systemwidrig und ungerecht ist, dass ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit bestehen, oder wenn der tarifunterworfene Arbeitnehmer sich nicht auf den durch eine ungültige Tarifnorm erzeugten Schein verlassen durfte.
3. Der tarifunterworfene Arbeitnehmer darf darauf vertrauen, dass sich seine Ansprüche nur nach den gegenwärtig geltenden Tarifnormen richten. Die Geltung der Tarifnorm muss aus Gründen der Rechtssicherheit einheitlich sein. Sofern es um die Rechtmäßigkeit der Rückwirkung der Tariflage als solcher geht, braucht der Normunterworfene die Tarifnorm nicht zu kennen.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen 14 Ca 8810/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung d. Kl. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 15.06.2016 - 14 Ca 8810/15 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an d. Kl. 9.930,05 EUR (in Worten: Neuntausendneunhundertdreißig und 05/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Nachzahlung eines Differenzbetrages in Höhe von 9930,05 EUR betreffend die tarifvertraglich geregelte Pauschale zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit und des Erholungsurlaubs (im Folgenden: U/K-Pauschale) für das Jahr 2012 bis Juli 2015.
Die klagende Partei war im Klagezeitraum auf der Grundlage eines sogenannten "Teilzeitvertrages zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall" mit einem fest vereinbarten - entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringenden -Einsatzumfang beschäftigt. Nach der arbeitsvertraglich geregelten Bezugnahmeklausel sollen die "jeweils gültigen Tarifverträge" Anwendung finden, "soweit sie Mitarbeiter mit Teilzeitverträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall ausdrücklich in ihren Geltungsbereich einbeziehen".
Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Luftverkehr e.V. (AGVL) und Rechtsnachfolgerin der - nicht mehr existierenden - AA. Diese war Mitglied des Arbeitgeberverbandes "Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V." (AVH). Nach § 1 des Übernahmevertrages trat der AGVL anstelle der AVH in sämtliche zwischen der AVH und ver.di zum 01.01.2010 ("Stichtag") bestehenden Tarifverträge. Die Beklagte gehört zum Konzern der BB und stellt ebenso wie ihre Rechtsvorgängerin Verpflegung für den Verzehr an Bord von Flugzeugen her.
In dem zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossenen Manteltarifvertrag Nr. 2 für Mitarbeiter der LSG mit Verträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall vom 01.01.1993 in der Fassung vom 01.01.2007 ist unter anderem Folgendes geregelt:
"§ 16 Krankenbezüge
(1) (...)
(2) Bis zur Dauer von 6 Wochen wird als Krankenbezug die aktuelle Grundvergütung weiter gezahlt. Außerdem erhält der Mitarbeiter je Kalendertag zur Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung und Zeitzuschlägen einen Pauschalbetrag, der sich nach § 24 Abs. (2) - umgerechnet auf Kalendertage - errechnet. ...
§ 24 Erholungsurlaub
(1) ...
(2) Für die Zeit des Erholungsurlaubs werden dem Mitarbeiter die Grundvergütung und die Zulagen weiter gezahlt. Außerdem erhält der Mitarbeiter je Urlaubstag zur Abgeltung von Zeitzuschlägen auf Grundarbeitsstunden einen Pauschalbetrag, der sich wie nachstehend ausgeführt errechnet. Der Pauschalbetrag wird ab dem 01. Urlaubstag berechnet.
a) Der Pauschalbetrag errechnet sich aus der Summe der im vorausgegangenen Kalenderjahr auf das vereinbarte Vertragsstundenvolumen abgerechneten Zeitzuschlägen und der - bis zur Mehrar-beitsauslösungsgrenze gem. § 5 Abs. (3) - darüber hinaus tatsächlich abgerechneten Grundarbeitsstunden und Zeitzuschlägen, geteilt durch die Zahl der von dem Mitarbeiter tatsächlich geleistet...