Leitsatz (redaktionell)
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung bei ihm einzureichen.
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Urteil vom 19.12.1996; Aktenzeichen 2 Ca 236/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 19.12.1996 – AZ.: 3 Ca 236/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist als gewerblicher Arbeitnehmer (sog. Akkordlöhner) im Werk … der Beklagten beschäftigt. Beide Parteien sind kraft Verbandszugehörigkeit an die Tarifverträge für die Hessische Metallindustrie gebunden. Die Beklagte und ihr Betriebsrat haben hinsichtlich der Lohnabrechnung auf der Grundlage des § 13 Nr. 5 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (nachfolgend: MTV) die aus Bl. 56–58 d.A. ersichtliche Betriebsvereinbarung vom 07.12.1994 abgeschlossen. Nach jeder Tariflohnerhöhung erhielt der Kläger eine Lohnmitteilung, die auszugsweise lautet:
„… ist eine übertarifliche Zulage. Diese kann ganz oder teilweise auf zukünftige Tariferhöhungen angerechnet werden. …”
Ab 01.10.1995 trat eine tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden in der Woche in Kraft, die nach § 3 des Lohnabkommens vom 14.03.1995 eine Erhöhung des Ecklohnes und der Akkordrichtsätze zur Folge hatte, was sich beim Kläger mit 2,8% auswirkte (siehe Bl. 80 d.A.). Die Beklagte beschloß die vollständige Anrechnung dieser Tariflohnerhöhung auf die nicht anrechnungsfesten übertariflichen Lohnbestandteile (siehe Bl. 13 d.A.) und teilte dies dem Betriebsrat (siehe Bl. 12 d.A.) und den betroffenen Mitarbeitern (siehe Bl. 14 d.A.) mit. Hinsichtlich der zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten aus diesem Anlaß geführten weiteren Korrespondenz wird auf Bl. 15–17 d.A. verwiesen.
Die Anrechnung hatte für den Kläger im Oktober 1995 eine effektive Lohnminderung in Höhe von DM 89,85 brutto zur Folge (siehe Bl. 19 d.A.). Die gleiche Lohndifferenz hat sich aus der Sicht des Klägers auch in den nachfolgenden Monaten eingestellt. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die sich alsdann ergebende Lohndifferenz für die Zeit vom 01.10.1995 bis zum 30.04.1996 gefordert (siehe Bl. 4, 20 d.A.). Er hat die Auffassung vertreten, hinsichtlich geringerer Lohndifferenzen ab 01.11.1995 sei eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eingetreten (siehe Bl. 59, 60 d.A.). Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, der von der Beklagten erklärte Anrechnungsvorbehalt erstrecke sich nicht auf Tariflohnerhöhungen, die sich aus der Verkürzung der Arbeitszeit ergäben. Abgesehen davon sei der Kläger kein Stunden- sondern ein Monatslöhner, so daß er mit den Angestellten gleichzubehandeln sei, bei denen die Beklagte – unstreitig (siehe Bl. 10 d.A.) – von einer Anrechnung abgesehen habe (siehe Bl. 52, 53 d.A.). Ob die Beklagte zusätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt habe, könne dahinstehen (siehe Bl. 53 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 628,95 brutto nebst 4% Zinsen aus dem DM 539,10 brutto entsprechenden Nettobetrag seit dem 02. Mai 1996 und 4% Zinsen aus dem DM 89,85 brutto entsprechenden Nettobetrag seit dem 02. Mai 1996 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß sich die im Oktober 1995 eingetretene tatsächliche Lohndifferenz in den Monaten November 1995 bis April 1996 gleichbleibend fortgesetzt habe (siehe Bl. 9, 10 d.A.). Sie hat die Meinung vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 07.12.1994 ändere nichts daran, daß der Kläger ein Stundenlöhner geblieben sei (siehe Bl. 11, 78, 79 d.A.). Auf der Grundlage des ausdrücklich erklärten Anrechnungsvorbehaltes sei sie deshalb berechtigt gewesen, die Tariflohnerhöhung vollständig, soweit dies aufgrund der vorhandenen übertariflichen Bestandteile rechnerisch möglich gewesen sei, zur Anrechnung zu bringen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats habe daher nicht bestanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe seines Urteils vom 19.12.1996 wird ergänzend auf Bl. 97–104 d.A. Bezug genommen. Gegen das ihm am 28.02.1997 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 25.03.1997 eingelegten, innerhalb der bis zum 26.05.1997 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26.05.1997 begründeten Berufung. Er bleibt dabei, daß der Anrechnungsvorbehalt der Beklagten die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung nicht rechtfertige. Das Arbeitsgericht habe die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkannt. Nach der Entscheidung des 1. Senats vom 07.02.1996 liege eine anrechenbare Tariflohnerhöhung nicht vor. Die ältere Rechtsprechung des 4. Senats vom 03.06. und 16.09.1987 halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Dem Arbeitsgericht könne auc...