Entscheidungsstichwort (Thema)

Einschränkung Allgemeinverbindlicherklärung für VTV-Bau. Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 15. Mai 2008 erfasst Mitgliedsbetriebe des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie e.V. (HDH), deren Tätigkeit unter einen der in Anhang 1 der Maßgaben angeführten fachlichen Geltungsbereiche fällt, ohne dass es sich bei diesem Betrieb um einen Industriebetrieb handeln muss. Es genügt, dass Produkte aus Holz, Kunststoff o.ä nicht nur montiert, sondern auch hergestellt werden. Eine Herstellung findet auch statt, wenn die Holz – oder Kunststoffplatten nicht selbst produziert, sondern nur verarbeitet werden.

Abweichung von HLAG Urteil vom 27.03.2009 – 10 Sa 1737/08 – juris, Revision unter – 10 AZR 463/09).

 

Normenkette

TVG § 5 Abs. 4; VTV-Bau § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 06.01.2009; Aktenzeichen 10/8 Ca 3950/07)

 

Nachgehend

Hessisches LAG (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen 18 Sa 1006/11)

BAG (Urteil vom 13.04.2011; Aktenzeichen 10 AZR 838/09)

 

Tenor

„Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 06. Januar 2009 – 10/8 Ca 3950/07 – abgeändert.”

Es wird festgestellt, dass die Klägerin für die Zeit ab 01. Oktober 2007 nicht zur Erteilung von Auskünften – weder über die Anzahl gewerblicher Arbeitnehmer, über deren angefallene Bruttolohnsummen und Sozialkassenbeiträge für diese Arbeitnehmer noch über die Anzahl der Angestellten, die eine nach den Vorschriften des SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben – und auch nicht zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen verpflichtet ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage um die Frage, ob die Klägerin ab Oktober 2007 von dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) erfasst wird.

Die Beklagte ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Klägerin ist seit 29. Dezember 2006 Mitglied im Hauptverband der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. (HDH). Ihr Betrieb ist bei dem Gewerbeamt A mit den Gegenständen „Maler- und Lackiererarbeiten aller Art, Trocken- und Montagebau” eingetragen. Die Klägerin beschäftigt mindestens 45 Arbeitnehmer – nach ihrem Vortrag 76 Arbeitnehmer – und bietet individuelle Innenausbauten an, auch für größere Objekte. Sie hat bis einschließlich September 2007 am baugewerblichen Sozialkassenverfahren teilgenommen und im Jahr 2006 Beiträge in einer Gesamthöhe von ca. 160.000,00 EUR gezahlt.

Die am 15. Juli 2008 im Bundesanzeiger veröffentlichte Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 bestimmt für den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 in den Fassungen vom 20. August 2007 bzw. vom 05. Dezember 2007 (folgend: VTV) die nachstehende Einschränkungen, soweit für den Rechtsstreit erheblich:

”Erster Teil

Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag

(1) Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, die unter einen der in Anhang 1 abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 01. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge

  • der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie,
  • der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung,
  • der Steine- und Erden-Industrie,
  • der Mörtelindustrie, der Transportbetonindustrie,
  • der chemischen oder kunststoffverarbeitenden Industrie oder
  • der Metall- und Elektroindustrie fallen.

Absatz 1 findet nur in Verbindung mit Absatz 2 Anwendung.

(2) Für Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland gilt Absatz 1,

a) solange diese unmittelbar oder mittelbar Mitglied

  • des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.,
  • der Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e. V.,
  • der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden e. V.,
  • des Bundesverbandes der Deutschen Mörtelindustrie e. V.,
  • des Bundesverbandes der Deutschen Transportbetonindustrie e. V.,
  • des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e. V.,
  • der Verbände der kunststoffverarbeitenden Industrie oder
  • eines der im Anhang 2 genannten Arbeitgeberverbandes im Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. (Gesamtmetall)

oder eines ihrer Mitgliedsverbände sind. Wurde die Mitgliedschaft bis zum 1. Juli 1999 (Stichtag) erworben, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind;

b) wenn sie

(…)

(4) Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland,

die von einem der Rahmenta...

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