Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Unterrichtungspflicht. Schadensersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsänderung erfordert eine Organisationsänderung im Betrieb, auch wenn ein Betriebsübergang vorliegt. An einer solchen fehlt es, wenn auf Seiten des Betriebserwerbers identische arbeitstechnische Zwecke mit identischen Betriebsmitteln weiter verfolgt werden und sich lediglich – im Vergleich zum Betriebsveräußerer – die den Arbeitnehmern ggf. zur Verfügung stehende Haftungsmasse verändert.
2. Nach § 613a Abs. 5 BGB muss der Betriebsveräußerer nicht über mögliche wirtschaftliche Risiken für das Arbeitsverhältnis beim Betriebserwerber informieren.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5; BetrVG § 113; BetrVG 111; BGB § 280
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 09.11.2005; Aktenzeichen 9 Ca 338/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 9. November 2005 – 9 Ca 338/05 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers.
Der am 02. November 1951 geborene, verheiratete Kläger war seit 02. März 1992 als Spezialfacharbeiter in einem Fertigteilbaubetrieb in Xxxxxxxxxx, dessen Inhaber zunächst die XXXXXXXX AG, dann die XXXXXXXX Fertigteilbau GmbH und schließlich die Beklagte war, beschäftigt.
Im Jahr 2003 analysierte die Beklagte im Hinblick auf die defizitäre Entwicklung der Fertigteilherstellung mithilfe einer Unternehmensberatungsgesellschaft Veräußerungsmöglichkeiten hinsichtlich des Xxxxxxxxxxer Betriebs, weil sie sich vom Bereich Fertigbau trennen wollte. Unter verschiedenen potentiellen Erwerbern wurde dabei u.a. die Firma Xxxxxx Xxxxxxx Fertigteilbau GmbH (künftig: XX), ein Unternehmen der Fertigteilfertigung mit damals ca. 140 Arbeitnehmern, in Betracht gezogen und ein Kurzprofil dieses Unternehmens eingeholt (Bl. 39 d.A.). Im Jahr 2004 kam es zu Verhandlungen der Beklagten mit der finnischen Unternehmensgruppe Xxxxxxxxx über die Übernahme des Xxxxxxxxxxer Betriebs. Nachdem sich diese Unternehmensgruppe am 10./11. Mai 2004 gegen die Übernahme des Xxxxxxxxxxer Betriebs entschieden hatte, wurden von der Beklagten mit dem Xxxxxxxxxxer Betriebsrat Gespräche im Hinblick auf die baldmögliche Schließung des Xxxxxxxxxxer Werks aufgenommen. Dieser von den Beschäftigten in Xxxxxxxxxx gewählte Betriebsrat war, nachdem die Beklagte mit der IG BAU tarifvertragliche Vereinbarungen über Bereichsbetriebsvertretungen abgeschlossen hatte, nach der der Betriebsrat Südwest für das Xxxxxxxxxxer Werk zuständig war, in einer Übergangsphase in die praktische Durchführung von Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechten des Betriebsrats eingeschaltet worden. Im Zuge der Verhandlungen leitete die Beklagte dem Betriebsrat den Entwurf eines Sozialplans zu. Hinsichtlich des Inhalts dieses Entwurfs wird auf Bl. 11 – 19 d.A. Bezug genommen. Gleichzeitig wurde die Arbeitsverwaltung eingeschaltet, dem Betriebsratsvorsitzenden wurde das Muster eines Vertrages über den Übergang in eine Beschäftigungsgesellschaft übermittelt.
Am 17. Mai 2004 kam es zu einer Besprechung zwischen Mitgliedern des Betriebsrats, der Bundesagentur für Arbeit und der Beschäftigungsgesellschaft. Am Mittag dieses Tages, kurz vor einer vorgesehenen Betriebsversammlung, wurde dem Betriebsrat von Vertretern der Beklagten mitgeteilt, dass ein Käufer für das Xxxxxxxxxxer Werk vorhanden sei, der die Arbeitsplätze erhalten würde, sodass Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan nicht mehr erforderlich seien. In der Betriebsversammlung am gleichen Tag teilte die Unternehmensleitung den Beschäftigten mit, die Firma XX, hinsichtlich derer die Beklagte unter dem 13. Mai 2004 eine Bonitätsauskunft der Creditreform, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 45 bis 47 d.A. Bezug genommen wird, eingeholt hatte, hätte die Absicht der Übernahme des Werkes erklärt, die Übernahme solle so schnell wie möglich, voraussichtlich zum 01. Juli 2004 erfolgen.
In einer weiteren Betriebsversammlung am 03. Juni 2004 stellten Mitarbeiter der Beklagten gemeinsam mit dem Hauptgesellschafter und dem Geschäftsführer der XX das Unternehmen der XX vor und teilten damit u.a mit, dass der Auftragsbestand dieses Unternehmens zurzeit gut sei und der Betriebsübergang zum 01. Juli 2004 erfolgen solle.
Am 09. Juni 2004 wurde von der Beklagten, der XXXXXXXX AG, der XX sowie der Xxxxxx Immobilien GmbH & Co. KG (künftig: Xxxxxx) ein notariell beurkundeter Vertrag unterzeichnet. Darin wurde vereinbart, dass das der Beklagten gehörende Grundstück, auf dem sich das Xxxxxxxxxxer Werk befindet, nebst Anlagevermögen zu einem Preis von insgesamt EUR 1,5 Mio. an die Xxxxxx veräußert und der XX die übrigen Anlageteile wie Maschinen, Schalungen usw. sowie die Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Halbfertigprodukten zu einem Gesamtpreis von EUR 1,00 überlassen wurden. Für den Ausgleich der infolge des Be...