Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme von Mietschulden. Gefahr der Wohnungslosigkeit. Auswirkung bei Verschulden und unangemessener Unterkunft. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund

 

Orientierungssatz

1. Bei der Formulierung "gerechtfertigt" in § 34 S 1 und S 2 SGB 12 handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal der Norm.

2. Wohnungslosigkeit droht nur dann einzutreten, wenn die bisher bewohnte Wohnung (zum Beispiel durch drohende Vermieterkündigung oder Räumungsklage) gefährdet ist und eine andere Wohnung auf dem Markt nicht angemietet werden kann und deshalb nur eine Unterbringung in einer Not- oder Obdachloseneinrichtung in Betracht kommt.

3. Entstehen die Mietschulden absichtlich (hier: keine Teiltilgung der Rückstände trotz finanzieller Möglichkeit durch Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente), ist die Schuldenübernahme nach § 34 Abs 1 SGB 12 ausgeschlossen.

4. Eine Leistung nach § 34 Abs 1 SGB 12 zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt.

5. Für die Annahme eines Anordnungsgrundes iS des § 86b Abs 2 S 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO muss die vorgetragene Gefahr (hier: Gefahr der Obdachlosigkeit) für die Rechtsposition objektiv bestehen; rein subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Hilfebedürftigen genügen nicht.

 

Tatbestand

Der Antragsteller, der eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von rückständigen Wohnkosten für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 4.560,59 €.

Der 1951 geborene Antragsteller beantragte erstmals im November 1996 beim Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit dieser Zeit kam es bereits mehrfach zu Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten.

Der Antragsteller bewohnt seit dem 1. August 2006 die Eigentumswohnung seines in E. aufenthältlichen Bruders A. in A-Stadt, A-Straße. Es handelt sich dabei um eine 46,25 m² große Zweizimmerwohnung, für deren Grundmiete der Antragsteller 370,00 € zuzüglich 90,67 € Betriebskosten und 84,41 € Heizkosten - insgesamt 545,08 € monatlich - zu zahlen hat.

Aufgrund des Beschlusses des erkennenden Senats vom 11. Mai 2007 (Az.: L 7 SO 71/06 ER) bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 31. Mai 2007 für den Zeitraum vom 19. Februar 2007 bis 31. Juli 2007 unter Vorbehalt Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe) in Höhe von 329,97 € monatlich. Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch, weil u.a. die rückständige Miete nicht berücksichtigt worden sei.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2007 lehnte die Beklagte u.a. die Übernahme der rückständigen Miete zuzüglich Umlagen ab, die der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Juni 2007 und 17. Juni 2007 unter Beifügung einer von ihm selbst verfassten Forderungsaufstellung beansprucht hatte.

Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden wurde. Mit am 16. Juli 2007 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenem Antrag beantragte er zudem den Antragsgegner zur Übernahme der rückständigen Wohnkosten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten und machte geltend, auf Grund der rückständigen Miete (“nebst Kaution„) seit dem 1. August 2006 unmittelbar von der Zwangsräumung bedroht zu sein. Der Rückstand betrage - bezogen auf den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 30. Juni 2007 - 4.560,59 €.

Durch Beschluss vom 10. September 2007 (Az.: S 49 SO 263/07 ER) wies das Sozialgericht den Antrag als unzulässig mit der Begründung ab, es gehe - ebenso wie das Hessische Landessozialgericht in seinen Beschlüssen vom 8. August 2005 (Az.: L 7 AS 36/05 ER) und vom 8. März 2006 (Az.: L 7 AS 98/05 ER) - von der Prozessunfähigkeit des Antragstellers aus.

Gegen diesen Beschluss wandte sich der Antragsteller mit der Beschwerde an das Hessische Landessozialgericht. Mit bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main am 30. Oktober 2007 eingegangenem Eilantrag beantragte der Antragsteller mit gleichlautender Begründung neuerlich die Übernahme der rückständigen Miete für den Zeitraum von August 2006 bis Juni 2007 in Höhe von 4.560,59 €.

Mit Beschluss vom 20. November 2007 (L 7 SO 99/07 ER) hob der Senat den Beschluss des Sozialgerichtes vom 10. September 2007 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Begründung zurück, es bestünden aufgrund eigener Anschauung keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers. Das Sozialgericht hätte die tatsächlichen Umstände ermitteln oder zumindest benennen müssen, aus denen auf die Prozessunfähigkeit des Antragstellers geschlossen werden könnte. Dass dies nicht geschehen sei, begründe einen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag an das Sozialgericht berechtige.

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