Entscheidungsstichwort (Thema)
einkommensabhängiges Erziehungsgeld. Einkommensminderung. Steuervergünstigung gemäß § 10e EStG. Verfassungswidrigkeit
Orientierungssatz
Ist § 6 Abs 2 Nr 4 BErzGG idF vom 30.6.1989 insoweit mit dem GG vereinbar, als eingeräumte Steuerbegünstigungen nach § 10e EStG nur dann zu einer Minderung bei dem nach § 6 Abs 1 BErzGG zu ermittelnden Einkommen führen, als gleichzeitig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden sind, während diese Steuerbegünstigungen ohne Einfluß auf die Einkommenshöhe sind, falls solche Einkünfte nach § 6 Abs 1 BErzGG nicht erzielt wurden?
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Aktenzeichen S-22/Eg-2387/90) |
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Gemäß Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes wird dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 6 Abs. 2 Nr. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) i.d.F. vom 30.06.1989 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als eingeräumte Steuerbegünstigungen nach § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG) nur dann zu einer Minderung bei dem nach § 6 Abs. 1 BErzGG zu ermittelnden Einkommen führen, als gleichzeitig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden sind, während diese Steuerbegünstigungen ohne Einfluss auf die Einkommenshöhe sind, falls solche Einkünfte nach § 6 Abs. 1 BErzGG nicht erzielt wurden.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Erziehungsgeld für die Zeit ab Beginn des 7. Lebensmonats ihrer Tochter I. bis zur Vollendung von deren 11. Lebensmonat. Umstritten ist dabei zwischen den Beteiligten, ob die steuerlich wie Sonderausgaben zu behandelnde Steuerbegünstigung für die eigen genutzte Wohnung nach § 10e Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Berechnung des Einkommens für das Erziehungsgeld im einkommensabhängigen Zeitraum abzusetzen ist, oder ob ein diesbezüglicher Abzug zu unterbleiben hat.
Die Tochter I. der Klägerin wurde 1989 geboren. Zwischen der Klägerin und deren Ehemann besteht eine Haushaltsgemeinschaft. Im streitbefangenen Zeitraum wurde I. von der Klägerin erzogen und betreut. In dieser Zeit war die Klägerin nicht erwerbstätig, nahm vielmehr Erziehungsurlaub in Anspruch.
Aufgrund ihres Antrags vom 13. September 1989 gewährte das beklagte Land der Klägerin Erziehungsgeld für die Zeit bis zum 3. Februar 1990. Durch Bescheid vom 21. Februar 1990 lehnte das beklagte Land die Zahlung von Erziehungsgeld für die Zeit ab Beginn des 7. Lebensmonats von I. mit der Begründung ab, das anrechenbare Einkommen der Klägerin im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt von I. schließe die Zahlung aus, da der sog. “Minderungsbetrag” die Höhe des dem Grunde nach zustehenden Erziehungsgeldes übersteige.
Grundlage der Berechnung des beklagten Landes war dabei der die Eheleute Dr. D. K. und A. K. betreffende Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 vom 2. Februar 1990. Unter Außerachtlassung des von der Klägerin selbst im Jahre 1987 erzielten Erwerbseinkommens stellte sich die Berechnungsgrundlage danach wie folgt dar:
Es folgt eine Tabelle (1), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, die nach dem Steuerbescheid eingeräumte Steuerbegünstigung nach § 10e Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 9.633,00 DM für die eigen genutzte Wohnung sei zu Unrecht nicht von dem maßgeblichen Einkommen in Abzug gebracht worden. Nehme man diesen Abzug vor, stehe ihr für die Zeit bis zum Ende des Erziehungsurlaubs Erziehungsgeld zu.
Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1990 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid führte das beklagte Land aus, gemäß § 6 Abs. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) seien Beiträge und Spenden sowie die Steuerbegünstigung für die eigen genutzte Wohnung nicht absetzbar.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 14. September 1992 unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, der Klägerin könne im streitbefangenen Zeitraum kein Erziehungsgeld gewährt werden, da der aus § 5 Abs. 3 BErzGG errechnete Minderungsbetrag über dem Höchstbetrag für das Erziehungsgeld in Höhe von 600,00 DM liege. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe die Steuerbegünstigung für die eigen genutzte Wohnung nicht gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 BErzGG von dem nach § 6 Abs. 1 BErzGG zu ermittelnden Einkommen abgezogen werden können. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift seien Steuerbegünstigungen nach § 10e EStG nämlich nur dann vom Einkommen abzusetzen, wenn sie die Summe der positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht überstiegen. Vorliegend seien jedoch keine solchen positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden.
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BErzGG sei es, eine Vergünstigung bei der Berechnung des Erziehungsgeldes in Höhe der Steuerbegünstigung dann vorzunehmen, wenn positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt wo...