Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus Typ IIa. verfassungsrechtlich geschütztes Existenzminimum
Orientierungssatz
Einem Arbeitsuchenden, der an Diabetes mellitus Typ IIa erkrankt ist und nach ärztlicher Bescheinigung einer Diabeteskost bedarf, ist - unter Berücksichtigung der für diese Erkrankung bis zum Abschluss der derzeitigen Überprüfung noch geltenden Empfehlung des Deutschen Vereins - ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB 2 zu gewähren. Der Mehrbedarf deckt einen medizinisch notwendigen tatsächlichen Bedarf ab und gehört daher zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 2006 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller ab 4. Oktober 2006 bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. September 2006 für kostenaufwendige Ernährung einen Betrag in Höhe von monatlich 51,13 Euro zu zahlen.
II. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
IV. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller beziehen seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). U.a. wurden durch Bescheid vom 9. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 30. September 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 1314,71 € bewilligt.
Der Antragsteller zu 1. leidet an Hypertonie bei Adipositas und an Diabetes mellitus Typ IIa. Nach ärztlicher Bescheinigung ist deshalb eine “Diabeteskost„ erforderlich. Deswegen war für den Antragsteller in dem monatlichen Leistungsbetrag der Grundsicherung ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 51,13 € enthalten. Die Antragstellerin leidet an Psoriasis vulgaris, für die nach ärztlicher Bescheinigung “Vollkost„ erforderlich ist.
Durch Bescheid vom 25. September 2006 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1. mit, dass der ihm bisher gewährte Mehrbedarf für Ernährung bei Diabetes ab dem 1. Oktober 2006 nicht mehr gewährt werden könne; dasselbe gelte für den Mehrbedarf Hypertonie bei Adipositas. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, über die Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. hinaus sei mit dem Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e. V. davon auszugehen, dass für alle Typen von den Diabetes-mellitus-Erkrankungen die erforderliche Kost sich in ihrer Zusammensetzung nicht von der im Rahmen der Primärprävention für Gesunderhaltung empfohlenen Ernährungsweise unterscheide. Eine Diabetes orientierte kalorienreduzierte, fettarme und ballaststoffreiche Ernährung, gegebenenfalls unter Nutzung der auch in Discounter-Ketten angeboten speziell für Diabetiker geeigneten Nahrungsmitteln sei möglich, ohne dass ein finanzieller Mehraufwand nötig sei. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller “das zulässige Rechtsmittel„ ein.
Am 4. Oktober 2006 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe eines Pauschalbetrages von monatlich 250 € zu verpflichten.
Durch Beschluss vom 13. Oktober 2006 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei bezüglich der Antragstellerin nicht zulässig, da diese nicht beschwert sei. Der Bescheid vom 25. September 2006 richte sich ausdrücklich nur an den Antragsteller. Bezüglich der Antragstellerin sei noch keine Entscheidung getroffen worden. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei. Es sei nicht dargelegt, dass ein Mehrbedarf tatsächlich akut vorhanden sei. Aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen ergebe sich lediglich, dass der Antragsteller Diabeteskost zu sich nehmen solle. Es gebe keinen speziellen Ernährungsplan mit bestimmten festgelegten Lebensmitteln, den der Antragsteller zu beachten hätte und der -zwingend -besondere Kosten auslösen würde. Zu verweisen sei in diesem Zusammenhang auf das “Rationalisierungsschema 2004„ des BDEM, aus dem hervorgehe, dass für alle Typen von Diabetes-mellitus-Erkrankungen die Kost sich in ihrer Zusammensetzung nicht im Rahmen der Primärprävention für Gesunderhaltung empfohlenen Ernährungsweise unterscheide. Durch Beschluss gleichen Datums hat das SG auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Gegen beide Beschlüsse wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 19. Oktober 2006 eingegangenen Beschwerde, der das SG n...