Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme durch den Grundsicherungsträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Bei der Förderung zur beruflichen Eingliederung nach § 16 Abs. 1 SGB 2 i. V. m. § 77 Abs. 1 SGB 3 muss der Grundsicherungsträger prognostisch bewerten, ob ohne die beantragte Bildungsmaßnahme Vermittlungschancen in angemessener und absehbarer Zeit nicht beständen und ob eine positive Beschäftigungsprognose besteht.
2. Bei der Förderung der Weiterbildung zur Wiederherstellung der Qualifikation ist zu prüfen, ob eine Nachqualifizierung im bisherigen Beruf möglich ist oder eine Neuqualifizierung in einem anderen Berufsfeld notwendig ist. Dabei ist eine Nachqualifizierung grundsätzlich vorrangig.
3. War der Antragsteller bereits über einen längeren Zeitraum arbeitslos und sind gesundheitliche Einschränkungen dafür, dass er den zuletzt ausgeübten Beruf weiter ausüben kann, nicht ersichtlich, so sind Vermittlungsbemühungen in die bisherige berufliche Tätigkeit durch den Grundsicherungsträger vorrangig gegenüber den beantragten Weiterbildungsmaßnahmen. Dies hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Folge, dass der Antragsteller auf die Fortführung seines Verfahrens in der Hauptsache zu verweisen ist.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die am 24. Januar 2012 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2012 mit dem Antrag,
1. den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2012 zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur beruflichen Weiterbildung in Form der darlehensweisen Kostenübernahme für das Seminar zum Luftfrachtdokumentaristen bei der B. GmbH zu gewähren;
2. dem Antragsteller unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2012 im Übrigen auf den Antrag vom 28. September 2011 mit Wirkung ab Antragstellung für das im Antrag zu 1.) näher bezeichnete Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und Herrn Rechtsanwalt C., C-Straße, C-Stadt beizuordnen;
3. dem Antragsteller unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt C., C-Straße, C-Stadt als Prozessvertreter für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) keinen Erfolg.
Ergänzend ist folgendes auszuführen: Macht der Antragsteller - wie hier - einen Anspruch geltend, über den die Behörde nach Ermessen zu entscheiden hat, so kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel nur dann Erfolg haben, wenn ein Fall der sogenannten Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Die Bewilligung einer bestimmten Weiterbildungsmaßnahme - konkret für die Weiterbildung zum Luftfrachtdokumentaristen - setzt daher regelmäßig voraus, dass jede andere Entscheidung als die Förderung der gewünschten Maßnahme fehlerhaft wäre (LSG NRW, 5. Juli 2010 - L 6 AS 842/10 B; vgl. außerdem für viele LSG Berlin-Brandenburg, 13. Oktober 2011 - L 14 AL 174/11 B; LSG NRW, 5. November 2010 - L 19 AS 1684/10 B). Allerdings wird in Ausnahmefällen eine einstweilige Anordnung auch ohne Ermessensreduzierung zu erlassen sein, wenn anders das Grundrecht des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) nicht zu wahren ist (vgl. zu entspr. Überlegungen Senat, 12. Mai 2005 - L 7 AL 38/05 ER und Krodel in BeckOK SGG § 86b Rdnr. 94 [Stand: 1. September 2011]). Im Hinblick auf den in diesem Rahmen zu bewältigenden Konflikt zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und dem Gewaltenteilungsgrundsatz - nach dem das Gericht nicht sein Ermessen an das der Behörde setzen darf - wird man eine einstweilige Anordnung in diesen Fällen nur in Betracht ziehen können, wenn es zum einen überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Behörde ihr Ermessen unzutreffend ausgeübt hat und sie dieses bei erneuter Ausübung zu Gunsten des Antragstellers ausüben wird, und wenn zum anderen auf Seiten des Antragstellers eine besondere Dringlichkeit vorliegt.
Vor diesem Hintergrund kann eine einstweilige Anordnung im konkreten Fall nicht erlassen werden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 1 S. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendi...