Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. Wohngemeinschaft
Orientierungssatz
Wird von vornherein vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass jeder der Bewohner der Wohnung über ein eigenes Zimmer verfügt, welches nur ihm zur Verfügung steht, und die einzigen Räume, die sich die Bewohner teilen, Küche, Bad und Flur sind, so liegt eine Wohnsituation vor, wie sie nicht für eheähnliche Gemeinschaften, sondern für Wohngemeinschaften kennzeichnend ist. Für solche Gemeinschaften hat das BVerfG explizit anerkannt, dass sie weder zu einer Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB 2 noch zu einer "Haushaltsgemeinschaft" nach § 9 Abs 5 SGB 2 gehört (vgl BVerfG vom 2.9.2004 - 1 BvR 1962/04 = info also 2004, 260). Ist insofern noch nicht einmal eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft festgestellt, so ist allenfalls vom Bestehen einer Wohn- und Zweckgemeinschaft, nicht aber von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. April 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 4. April 2006 bis zum 31. Juli 2006 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.
IV. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu 4/5 (vier Fünftel) zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB -Zweites Buch -(SGB II).
Der im Jahre 1972 geborene Antragsteller mietete zusammen mit der Frau B. O. C. O. (O.) am 21. Februar 2006 eine Zweizimmerwohnung in der A-Straße in A-Stadt. Diese Wohnung wird seit dem 1. März 2006 von beiden bewohnt. Zuvor wohnte der Antragsteller mit O. in der A-Straße in A-Stadt. Zu dieser Zeit bezog er von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Im Rahmen der Wohnungssuche wandten sich der Antragsteller und O. an das städtische Amt für Wohnungswesen, auf dessen Vermittlung das Mietverhältnis über die Wohnung in der A-Straße zu Stande kam. Nach Rücksprache der Antragsgegnerin mit dem Wohnungsamt hatte die Wohnung gemietet werden können, weil die Mitbewohnerin die Verlobte des Antragstellers sei. Tatsächlich hatten beide anlässlich der Wohnungsbewerbung unterschriftlich bestätigt, dass der Antragsteller Verlobter der O. sei. Der Antragsteller setzte seine Unterschrift neben das in dem Bewerbungsformular vorgedruckte Wort “ Ehepartner/in", wobei der Wortbestandteil "Ehe" durchgestrichen worden ist.
Mit Schreiben vom 16. März 2006 erklärte der Antragsteller, er wohne mit der O. in Wohngemeinschaft und nicht "wie ein Paar oder Lebensgemeinschaft". Sie lebten in der Wohnung getrennt und seien auch nicht verlobt. Jeder trage seine eigenen Kosten und die Wohnkosten würden geteilt. O. erklärte unter dem 15. März 2006 ihrerseits, mit dem Antragsteller nur in einer Wohngemeinschaft zusammenzuleben; jeder trage die Kosten zu 50%. Sie sei mit dem Antragsteller nicht verlobt und stehe in keinem irgendwie gearteten Verhältnis zu ihm. Sie lebten von Bett und Tisch getrennt.
Durch Bescheid vom 23. März 2006 lehnte die Antragstellerin einen vom Antragsteller gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weil er sich geweigert habe, das Einkommen seiner Lebenspartnerin O. anzugeben. Deshalb hätten seine Einkommensverhältnisse nicht geprüft werden können. Er habe daher keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit seinem Widerspruch machte der Antragsteller geltend, dass zwischen ihm und O. weder ein Verlobtenverhältnis noch eine Partnerschaft bestehe. Sie hätten lediglich gemeinsam eine Wohnung gemietet, um sich die Miete zu teilen. Dies sei auch schon in der Vergangenheit, nämlich seit ungefähr zwei Jahren, so gewesen und habe gut geklappt, so dass sie sich nun wieder zusammen eine Wohnung gesucht und gemeinsam gemietet hätten. Über den Widerspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Am 4. April 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Diesen Antrag hat das SG durch Beschluss vom 20. April 2006 abgelehnt, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, dass er hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II sei. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, sei auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehöre als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 b ...