Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. keine fiktive Anhängigkeit eines Rentenverfahrens bereits seit dem 18.6.1997 durch § 3 Abs 1 S 1 ZRBG im Kontext mit § 198 S 1 Halbs 1 SGB 6. Beginn von Ersatzzeiten vor Vollendung des 14. Lebensjahres. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Anwendungsbereich der EGRL 78/2000
Orientierungssatz
1. Im Kontext mit § 198 S 1 Halbs 1 SGB 6 führt § 3 Abs 1 S 1 ZRBG nicht zu einer fiktiven Anhängigkeit eines Rentenverfahrens bereits seit dem 18.6.1997, mit der Folge, dass es die damals noch laufende Entrichtungsfrist nach § 197 Abs 2 SGB 6 hätte unterbrechen können. Die Regelungen des ZRBG bewirken beitragsrechtlich keine Rückbeziehung des (verwaltungs-)verfahrensrechtlichen Beginns von Verfahren über einen Rentenanspruch mit Ghetto-Beitragszeiten auf den 18.6.1997 (vgl BSG vom 30.4.2013 - B 12 R 12/11 R = SozR 4-5075 § 3 Nr 3).
2. Es stellt keine Diskriminierung dar, dass § 250 Abs 1 Nr 4 SGB 6 für die Anerkennung von Ersatzzeiten auf die Vollendung des 14. Lebensjahres abstellt.
3. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind vom Anwendungsbereich der EGRL 78/2000 nicht erfasst.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) einen früheren Beginn seiner Regelaltersrente geltend.
Der 1934 geborene Kläger beantragte am 10. Februar 2011 bei der Beklagten die Feststellung einer Rente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). In seinem Versicherungskonto sind Beschäftigungszeiten in einem Ghetto (1. September 1941 bis 18. März 1944) und Ersatzzeiten (20. Mai 1948 bis 31. Dezember 1949) gespeichert.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in seinem Falle nur 51 Monate anrechenbare Zeiten für die allgemeine Wartezeit vorhanden seien. Durch die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2010 könne er die erforderliche Wartezeit jedoch erfüllen. Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch (Schreiben vom 15. August 2011), den er unter dem 26. September 2011 zurücknahm und am 7. Oktober 2011 Beiträge in Höhe von 716,40 € an die Beklagte zahlte.
Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. November 2011 Regelaltersrente mit einem Rentenbeginn am 1. März 2011 und einem monatlichen Zahlbetrag von 92,78 € für die Zeit ab 1. Januar 2012. Für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis 31. Dezember 2011 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 924,16 €.
Am 9. Februar 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten mit Hinweis auf die neue Gesetzeslage die Überprüfung seiner Rentenansprüche, insbesondere in Bezug auf einen früheren Rentenbeginn.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2015 ab. Bei Erlass des Rentenbescheides vom 28. November 2011 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Sofern bei einer laufenden Rente nach dem ZRBG die Wartezeit nur durch die Zahlung von freiwilligen Beiträgen erfüllt worden sei und diese Rente damit erst nach dem Folgemonat der Beitragszahlung begonnen habe, sei eine Neufeststellung der Rente zu einem früheren Rentenbeginn nicht möglich. Dies sei bei dem Kläger der Fall.
Mit seinem hiergegen am 9. März 2015 erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Zahlung der Rente bereits ab Vollendung seines 65. Lebensjahres.
Durch Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2015 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Sofern die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen von der Zahlung freiwilliger Beiträge abhänge, seien diese Voraussetzungen grundsätzlich erst mit der tatsächlichen Beitragszahlung erfüllt. Abweichend hiervon sei allerdings der Zeitpunkt der Beantragung der Beitragszahlung maßgeblich, sofern der Versicherte das Nachzahlungsverfahren nicht schuldhaft verzögert und die Beiträge innerhalb einer angemessenen Frist nach Zulassung der Nachzahlung entrichtet habe. Dies gelte auch dann, wenn im Rahmen eines Rentenverfahrens die Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit beantragt oder vom Rentenversicherungsträger angeboten worden sei. Zugrunde zu legen sei dann der Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Die Antragsfiktion des § 3 Abs. 1 ZRBG ändere daran nichts, da sie sich nur auf die Bestimmung des frühestmöglichen Rentenbeginns beziehe. Die Rente könne frühestens nach dem letzten Beitrag zur Erfüllung der Wartezeit beginnen, unabhängig davon, ob der Antrag vor oder nach Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des ZRBG vom 15. Juli 2014 gestellt worden sei.
Am 15. Juli 2015 erhob der ...