Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. abweichende Erbringung von Regelleistungen. Sonderbedarf. Teilnahme an einer Familienfeier
Orientierungssatz
Die Aufwendungen für die Teilnahme an einer Familienfeier sind von den Regelleistungen gem § 20 Abs 1 SGB 2 umfasst. Fahr- und Kleidungskosten für die Teilnahme - hier an der Goldenen Hochzeit Verwandter - können nicht nach § 23 SGB 2 übernommen werden, da weder ein unabweisbarer Bedarf iS von § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 noch ein außergewöhnlicher Umstand iS des § 23 Abs 3 SGB 2 anerkannt werden kann.
Tatbestand
Verfahrensziel ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von 99,15 € wegen gehabter Aufwendungen für eine Familienfeier im Wege der einstweiligen Anordnung.
Der Antragsteller bezieht seit 1. Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 6. September 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 wurden ihm für den Zeitraum 1. Juli 2005 - 30. November 2005 monatlich zustehende Leistungen in Höhe von zuletzt 657,79 € bewilligt. Wegen der Leistungshöhe erhob der Antragsteller am 18. November 2005 Klage bei dem Sozialgericht Kassel (S 1 AS 550/05), über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Das zeitgleich bemühte einstweilige Rechtsschutzverfahren hatte keinen Erfolg (Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 22. Dezember 2005 - S 1 AS 551/05 ER); über die bei dem Hessischen Landessozialgericht dagegen eingelegte Beschwerde ist noch nicht entschieden (L 9 AS 43/06 ER).
Durch Bescheid vom 15. November 2005 wurden dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum ab 1. Dezember 2005 in Höhe von 657,79 € und durch Änderungsbescheid vom 9. Januar 2006 für den Zeitraum 1. Februar 2006 - 31. Mai 2006 in Höhe von 665,29 € weiterbewilligt, - darin: 345,00 € Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige und 35,79 € Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für kostenaufwändige Ernährung und 284,50 € anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung.
Der Kläger beantragte am 8. Januar 2006 bei der Antragsgegnerin Leistungen für Fahrkosten (K. - H. - K.) sowie Kleidungskosten (Hemd, Krawatte, Schuhe) aus Anlass seiner geplanten Teilnahme an der Goldenen Hochzeit seiner Tante und seines Onkels K. und E. G. in U. am 11. Februar 2006. - Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag durch Bescheid vom 13. Januar 2006 ab, weil die beantragten Leistungen durch die gewährte Regelleistung in Höhe von 345,00 € abgedeckt sei. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasse insbesondere in vertretbarem Umfang Bedarfe wegen Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben. Die beantragten Leistungen seien nach den vorliegenden Unterlagen auch nicht als unabweisbare Bedarfe im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 23 Abs. 1 SGB II zu gewähren. - Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 13. Januar 2006 am 18. Januar 2006 Widerspruch, den die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 5. April 2006 unter Hinweis auf die gewährte Regelleistung als unbegründet zurückwies.
Der Antragsteller hat am 16. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Kassel die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 22,20 € Fahrtkosten sowie ca. 100,-- € Kleidungskosten für ein Hemd, eine Krawatte und Schuhe zu verpflichten. Zur Eilbedürftigkeit hat er auf die zeitliche Nähe der Feier am 11. Februar 2006 hingewiesen. Zur Begründung eines diesbezüglichen Leistungsanspruchs hat er sein Bedürfnis geltend gemacht, seine seit Jahren nicht mehr gesehene Verwandtschaft zu besuchen. Einem Hilfebedürftigen müsse unter Würdigung der gesamten Lebensumstände, seiner Grundrechte sowie der einschlägigen Normen der Sozialgesetze ermöglicht werden, an einer Familienfeier teilzunehmen. Da seine Regelleistung zur Bedarfsdeckung nicht ausreiche, müsse er konkrete Anträge zur Bedarfsdeckung stellen, was er jetzt verschiedentlich getan habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er seine Regelleistung für den Monat Februar 2006 voraussichtlich am 15. Februar 2006 aufgebraucht haben werde, wenn er die notwendigen Aufwendungen für die Familienfeier aus seiner Regelleistung erbringe. Wenn dann sein Existenzminimum nicht gedeckt sei, müssten sich die Gerichte - nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen - zur Wahrung der Würde des Menschen schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. - Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz als nicht begründet angesehen und die Existenz einer Rechtsgrundlage für die beantragten Leistungen verneint.
Das Sozialgericht Kassel hat durch Beschluss vom 25. Januar 2006 den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt und seine Entscheidung im Wesentlichen darauf ge...