Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitation und Teilhabe. Zuständigkeitsklärung. Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers bei Nichtweiterleitung des Teilhabeantrags. Anwendbarkeit bei eventueller Erforderlichkeit von Leistungen der Krankenbehandlung. Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe in Form der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung und medizinischer Behandlungspflege
Orientierungssatz
1. § 14 SGB 9 ist auch in den Fällen anzuwenden, in denen die Zuständigkeit deshalb umstritten ist, weil unklar bleibt, ob Teilhabeleistungen oder Maßnahmen der Krankenbehandlung erforderlich sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Abgrenzung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation im Einzelfall schwierig ist.
2. Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe als medizinischer Rehabilitation und (Behandlungs-)Sicherungspflege hat nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen (vgl LSG Darmstadt vom 29.6.2011 - L 6 SO 57/11 B ER = juris RdNr 12). Dient die Leistung der Bewältigung von Anforderungen des Schulalltags (Integrationshelfer), ist der Bedarf der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 zuzuordnen. Handelt es sich um die Notwendigkeit, die körperliche Situation zu beobachten und ggf in medizinisch-pflegerischer Hinsicht zu intervenieren, so handelt es sich um Sicherungspflege nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 5.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seinen notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 2017 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,
ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Zunächst hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Senat kann im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung offen lassen, ob Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen der Hilfe/Übernahme der Blutzuckermessungen und Insulingabe mittels Insulinpumpe sowie der Überwachung des Antragstellers hinsichtlich der Nahrungsaufnahme sowie zum Schutz vor Unterzuckerungen § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung (Behandlungssicherungspflege) oder §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - ist, denn jedenfalls ist der Antragsgegner für die Leistungserbringung zuständig geworden.
Die Zuständigkeit des Antragsgegners für die Leistungserbringung auch für Leistungen nach § 37 SGB V ergibt sich dabei unabhängig von der materiell-rechtlichen Zuständigkeit aus § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages fest, ob er nach dem für ihn geltenden materiellen Recht für die Leistung zuständig ist. Stellt er fest, dass er hierfür nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich an sich zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zu den Versicherten oder Leistungsempfangenden seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine nach § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Ein solcher Fall der versäumten Zuständigkeitsklärung liegt hier vor, denn der Antragsgegner als Rehabilitationsträger im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX hat den am 6. April 2016 bei ihm eingegangenen Teilhabeantrag (§ 4, 5 SGB IX) auf Schulbegleitung in Form einer Teilhabeassistenz nicht an die Beigeladene a...