Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Pflege-Pflichtversicherung. Rechtsweg. Zuständigkeit der Sozialgerichte

 

Leitsatz (amtlich)

Für Streitigkeiten in Angelegenheiten der privaten Pflege-Pflichtversicherung sind, bestätigt durch das Gesetzgebungsverfahren des SGB 11 ÄndG 1, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, nicht die Zivilgerichte, zuständig.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Beschluss vom 05.02.1996; Aktenzeichen S 12/P 1573/95)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 5. Februar 1996 aufgehoben.

2. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über Leistungen aus der gesetzlichen Pflege-Pflichtversicherung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat pflegeversichert. Nachdem zunächst vorläufig Pflegegeld nach Pflegestufe I aufgrund einer Bescheinigung des behandelnden Arztes gezahlt worden war, lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 17. Juli 1995 unter Hinweis auf ärztliche Stellungnahmen der von ihr beauftragten “M. Gesellschaft für medizinische Gutachten mbH” endgültig ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. Dezember 1995 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und die fortlaufende Zahlung von Geldleistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I begehrt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Kassel durch Beschluss vom 5. Februar 1996 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Waiblingen verwiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, dass zwar eine uneingeschränkte Zuständigkeit der Sozialgerichte für Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bestehe. Der streitige Leistungsanspruch ergebe sich aber nicht unmittelbar aus dem SGB XI, sondern habe seine Grundlage in einem privaten Versicherungsvertrag. Für Streitigkeiten hieraus sei die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 8. Februar 1996 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. Februar 1996 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (siehe “Vermerk” vom 24. Februar 1996, Bl. 48 GA).

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sich aus den Versicherungsbedingungen keine ausschließliche Zuständigkeitsregelung ergebe. Auch bei der privaten Pflegeversicherung handele es sich um eine Pflichtversicherung. Gesetzlich festgelegte Aufgaben und Leistungen seien nur auf private Träger übertragen worden. Da es sich um originäre Staatsaufgaben handele, obliege die Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensvorschriften und Anspruchsgrundlagen allein den Sozialgerichten.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 5. Februar 1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Auch in anderen Fällen, in denen der Gesetzgeber zum Abschluss eines privaten Versicherungsvertrages zwinge, wie bei der Kfz-Haftpflichtversicherung oder der Feuerversicherung, handele es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, die vor die ordentliche Gerichtsbarkeit gehörten. Eine homogene Zuständigkeit sei bei der Pflegeversicherung ohnehin nicht gegeben, da für beihilfeberechtigte Personen bei Streitigkeiten aus der Beihilfegewährung weiterhin die Verwaltungsgerichte zuständig seien. Der Gesetzgeber habe im übrigen die Problematik der Rechtswegzuständigkeit erkannt und im Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgesehen. Danach seien die Sozialgerichte ausdrücklich nur in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung bei Streitigkeiten über die soziale Sicherung der Pflegepersonen zuständig.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- i.V.m. §§ 172, 173 SGG). Insbesondere gilt die für das sozialgerichtliche Verfahren allgemein vorgesehene und hier eingehaltene Frist von einem Monat für die Einlegung der Beschwerde (§ 173 SGG). Das SGG kennt keine “sofortige Beschwerde”, und § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG verweist insoweit unter Verzicht auf eine eigenständige Regelung auf die jeweils anzuwendende Verfahrensordnung (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Sept. 1994 - 3 BS 2/93). Zutreffend ist auch - abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung - die Beschwerde gemäß § 173 SGG beim Sozialgericht und nicht beim Beschwerdegericht eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bedurfte es aber keiner Abhilfeentscheidung. Das BSG (a.a.O.), dem der Senat folgt, hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass eine Ausdehnung der in § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG enthaltenen Verweisung auf die son...

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