Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Kosten der privaten Krankenversicherung durch den Leistungsträger des SGB 2 im einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Der Beitrag zur privaten Krankenversicherung für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen darf beim SGB 2-Leistungsempfänger den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 12 Abs. 1 c S. 1 VAG nicht übersteigen. Sofern allein durch die Zahlung des Beitrags Hilfebedürftigkeit i. S. des SGB 2 oder des SGB 12 entsteht, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte.
2. Es ist Ziel des Gesetzgebers, finanzielle Überforderungen des Hilfebedürftigen zu vermeiden. Eine solche Überforderung wäre dann gegeben, wenn der Hilfebedürftige eine Deckungslücke schließen müsste, für die ihm Mittel gar nicht zur Verfügung stehen.
3. Damit besteht eine planwidrige Gesetzeslücke, die zumindest im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahingehend zu schließen ist, dass der Leistungsträger des SGB 2 vorläufig den tatsächlichen Beitragsaufwand des Hilfebedürftigen maximal bis zur hälftigen Höhe des für den Basistarif maßgeblichen Beitrags trägt.
Tenor
Unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 2009 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 12. Mai bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 235,40 € und für die Zeit vom 1. Januar bis 11. Mai 2010 in Höhe von monatlich 276,66 € unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 147,33 € monatlich sowie den jährlichen Selbstbehalt, insgesamt maximal bis zur Höhe des hälftigen Beitrags des Basistarifs, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen jeweils zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist - nachdem der Antragsteller im Hinblick auf die erstinstanzlich noch streitigen Kosten der Unterkunft mit Schriftsatz vom 25. November 2009 das Eilverfahren für erledigt erklärt hat - noch die vorläufige Erstattung bzw. Übernahme von weiteren Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Der 1961 geborene Antragsteller ist seit dem 15. Dezember 2006 Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 erteilte die Antragsgegnerin unter dem 2. Februar 2009 einen Bewilligungsbescheid und wies darin einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Krankenversicherung von 118,31 € sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,54 € aus. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11. Februar 2009 Widerspruch und machte u. a. geltend, es seien die tatsächlichen Kosten für seine Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) zu übernehmen. Insoweit könne er die entsprechenden Beiträge nicht mehr zahlen. Im Übrigen sei ihm ein Wechsel von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt. Zum 1. März 2009 wechselte der Antragsteller von seinem bisherigen Tarif bei der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) in den sog. Basistarif mit einem Gesamtbeitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 307,70 €. Zuvor betrug der Monatsbeitrag gesamt 235,40 €. Durch Änderungsbescheid vom 27. April 2009 setzte die Antragsgegnerin den Beitragszuschuss für den genannten Zeitraum nunmehr auf 129,54 € (Krankenversicherung) und 17,79 € (Pflegeversicherung), mithin gesamt 147,33 € fest. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2009 mit der Begründung zurück, soweit der Antragsteller vor Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert gewesen und deshalb gemäß § 5 Abs. 5a S. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sei, regele § 26 SGB II den Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen und verweise auf § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Zunächst sei davon auszugehen, dass der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen dürfe, wobei sich dieser aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen und der Beitragsbemessungsgrenze errechne. Entstehe allein durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags Hilfebedürftigkeit, vermindere sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Bestehe auch bei einem derart verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit, beteilige sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden werde. Bestehe unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, zahle der zuständige Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei. Die...